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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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abgeschlossen war.
    Manuela betrachtete das kleine weiße Schild an der Wand mit dem Namen und dem Titel ihres Chefs darauf und fragte sich, ob das die Art von Teamarbeit war, über die er ihr vor ein paar Stunden noch einen Vortrag gehalten hatte. Nach dem letzten Gespräch hatte offenbar jeder gewusst, was er zu tun hatte, nur mit ihr hatte niemand mehr gesprochen. Stiffler war ihr natürlich keine Rechenschaft schuldig, aber sie war ihm immerhin zugeteilt worden, da konnte sie doch zumindest erwarten, dass er sich um sie kümmerte.
    Mit der Karte in der Hand stand Manuela auf dem Gang und ging ihre Möglichkeiten durch.
    Sollte sie zu Nielsen gehen? Wenn sie das tat, war sie bei Stiffler wahrscheinlich total unten durch.
    Ach, egal. Es eilte schließlich.
    Sie lief den Gang hinunter, wandte sich nach rechts, erreichte das Büro und klopfte. Auch hier keine Reaktion. Sie klopfte noch einmal und drückte dann die Klinke herunter. Die Tür war nicht verschlossen, aber Nielsen war auch nicht da.
    Ärgerlich. Sie hatte ohne Stiffler einen Kontakt zu ihm herstellen wollen. Aber Aufgeben kam für Manuela nicht in Frage.
    Sie nahm ihr Handy und wählte Stifflers Nummer.
    Er meldete sich mit einem unfreundlichen «Was ist?».
    «Ich habe den See», rief Manuela aufgeregt und ärgerte sich sofort über sich, weil sie so kindlich klang.
    «Was für einen See?»
    «Eine der Proben stimmt überein. Der See, in dem das Opfer ertränkt wurde.»
    «So schnell. Und welcher ist es?»
    «Der hat keinen Namen. Es ist einer der kleineren.»
    «Beschreiben Sie mir die Lage.»
    «Ich stehe hier mit einer Karte vor Ihrem Büro, um es Ihnen zu zeigen. Wo sind Sie denn?»
    Stiffler seufzte vernehmlich.
    «In der Tiefgarage. Ich wollte gerade Feierabend machen.»
    «Ich bin in zwei Minuten unten», sagte Manuela und spurtete los.
    Endlich tat sich etwas.

22
    Es war bereits fünf Minuten nach acht, als Frank Engler auf das Haus zusteuerte, vor dem er Lavinia vor einigen Stunden abgesetzt hatte. Er hatte vorgehabt, auf die Minute pünktlich zu sein, aber nach dem letzten Fahrgast hatte er gespürt, dass eine Schlafattacke heranraste, und ihm war nichts anderes übrig geblieben, als auf dem Parkplatz eines Supermarktes ein Nickerchen zu machen. Eine halbe Stunde lang war er weggetreten – diesmal zum Glück ohne Albträume.
    Der letzte hatte ihn sehr verwirrt. Er war so intensiv, so voller Details gewesen. Die Farbe ihrer Handtasche, ihre Kleidung, der Ausdruck in ihrem Gesicht – so realistisch. Er kannte diese Träume ja, aber diesmal war es anders.
    Dieser Traum hatte sich an die Wirklichkeit gelehnt. Die Sache mit dem abgetrennten Bein damals war völlig an den Haaren herbeigezogen gewesen. Da hatte es überhaupt keinen realen Bezug gegeben. Diesmal aber schon. Es war zweifelsfrei Lavinia gewesen, obwohl er sie erst einmal gesehen hatte. Und auch in seinem Traum war sie verfolgt worden.
    Es war wie ein Blick in die Zukunft gewesen.
    Frank stoppte den Wagen am Bordstein und stieg aus. Es war still in der Wohngegend. Leichter Grillgeruch zog aus irgendeinem Garten herüber.
    Das Haus, in dem Lavinia lebte, lag zwanzig Meter zurückgesetzt und war von der Straße aus kaum zu sehen. Büsche säumten den Weg dorthin. Der Grillgeruch wurde intensiver, als er näher kam.
    An der Tür las er ihren vollständigen Namen.
    Lavinia Wolff.
    Der Name erinnerte ihn an irgendeinen Film, ohne dass er sagen konnte, an welchen. Schon seit Jahren füllte er seine Einsamkeit mit Filmen. Sie verschwammen in seinem Kopf zu einem undefinierbaren Bilderbrei.
    Er drückte den Klingelknopf, hörte gedämpft das Läuten, steckte die Hände in die Vordertaschen seiner Jeans und wartete. Der Adrenalinpegel stieg wieder an. Abermals versuchte er, ihn mit konzentrierter Atmung zu senken, aber so richtig wollte es nicht klappen. Er versuchte sich zu beruhigen, da es hier ja nicht um ein romantisches Date ging. Lavinia hatte Angst, wurde wahrscheinlich von einem Stalker verfolgt und bedroht. Und das war ohnehin kaum der richtige Zeitpunkt, um mit einem Mann etwas anzufangen. Er wollte ihr nur helfen, für sie da sein, mehr nicht.
    Der Pegel blieb stabil.
    Und die Tür blieb geschlossen.
    Frank wartete lange, bevor er es wagte, ein weiteres Mal auf den Klingelknopf zu drücken. Das Kribbeln in seinem Bauch machte einem unguten Gefühl Platz.
    Nach dem dritten Klingeln wusste er Bescheid.
    Er hatte sie mit seinem Geständnis verschreckt, hatte ihre Angst noch verstärkt,

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