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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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sodass sie jetzt still in ihrer Wohnung hockte und darauf wartete, dass er wieder verschwand. Er konnte es ihr nicht einmal übelnehmen. Welche Frau hätte keine Angst vor einem Freak wie ihm? Ihr von seiner Krankheit zu erzählen war schon schlimm genug, aber nein, er hatte ihr zu allem Überfluss auch noch ihren eigenen Tod ausmalen müssen.
    Es hatte so kommen müssen.
    «Klasse, Alter», sagte Frank leise zu sich selbst. «Bist mal wieder der große Aufreißer.»
    Enttäuscht wandte er sich von der Haustür ab.
    Er kannte sie nicht, aber er hatte so sehr gehofft, sie wäre anders. Sie wirkte auf ihn wie eine Frau, die eine Menge durchgemacht hatte und sich nicht so leicht erschrecken ließ. Und sie hatte versprochen, ihm von dem Mann zu erzählen, der sie verfolgte. Jetzt öffnete sie nicht einmal die Tür. Wenigstens das hätte sie tun können: die Tür öffnen und ihm höflich, aber bestimmt erklären, dass sie mit einem wie ihm nichts zu tun haben wollte. Das hätte er verstanden.
    So aber blieb nichts weiter als bittere Enttäuschung.
    Weil es ihm jetzt peinlich war, sich vor ihrem Haus herumzutreiben, lief Frank mit hochgezogenen Schultern zu seinem Taxi zurück. Als seine Hand schon am Türgriff des Škoda lag, sah er noch einmal hinter sich. Das Fenster, hinter dem sie gestern Abend Licht gemacht hatte, um ihm zu signalisieren, dass alles in Ordnung sei, war schwarz. Dunkel und abweisend.
    Und wenn es ganz anders war?
    Was, wenn sie nicht öffnen konnte, weil der, der sie verfolgte, bei ihr war? Vielleicht hatte Helmut mit seiner Vermutung ja recht, und sie wurde von einem Ehemann drangsaliert, der es nicht ertrug, von ihr verlassen worden zu sein. Solche Geschichten hörte man doch täglich. Vielleicht waren sie schon lange auseinander, und sie hatte den Ehering vor so langer Zeit abgenommen, dass nicht einmal mehr ein weißer Streifen zu sehen war – der wäre ihm nämlich aufgefallen.
    Von einer Sekunde auf die andere änderte sich Franks Stimmung.
    Die Enttäuschung verschwand, die Aufregung kehrte zurück.
    Er öffnete die Tür, beugte sich in den Wagen und öffnete die Abdeckung der Mittelarmlehne. Darin hatte er das Pfefferspray verstaut, das er heute früh aus der Schublade im Büro genommen hatte.
    Frank steckte es in die vordere Tasche seiner Jeans, verriegelte den Wagen und machte sich erneut auf den Weg. Er ging aber nicht bis zur Haustür, sondern schlich sich durch die Büsche zum Haus. Dort drückte er sich an die von den Sonnenstrahlen des Tages noch warme Klinkerwand, schob sich zum Fenster vor und spähte hinein.
    Lavinia besaß keine Gardinen, und die Vorhänge waren nicht zugezogen. Frank konnte ohne Probleme ins Wohnzimmer schauen. Es war nur karg möbliert. Ein kleiner Fernseher stand an der Wand gegenüber, darüber hingen gerahmte Fotos irgendeiner Küstenlandschaft. Von Lavinia war nichts zu sehen.
    Es gab noch ein weiteres Fenster in der Vorderfront des Hauses. Nachdem Frank sich davon überzeugt hatte, dass ihn niemand beobachtete, spähte er auch dort hinein. Es war das Küchenfenster. Kein Zeichen von Leben in dem schmalen Raum dahinter.
    Frank schlug sich durch die Büsche zurück zum Weg. Er schwitzte jetzt vor Aufregung. Er ging an der Haustür vorbei bis zur hinteren Ecke des Hauses und wollte eben die Gartenpforte öffnen, als ihm bewusst wurde, dass der Grillgeruch aus dem Garten kam. Er spähte um die Ecke. Lavinias Teil des Gartens war nur durch einen niedrigen Jägerzaun von dem nächsten getrennt. Dort saßen ein paar Leute um einen qualmenden Grill herum. Leises Gemurmel drang herüber.
    Frank zog sich zurück. Die hinteren Fenster konnte er vergessen.
    Er kehrte zur Haustür zurück und blieb unschlüssig davor stehen. Unten in der Tür gab es einen altmodischen Briefschlitz, durch den die Post direkt auf den Fußboden des Flurs befördert wurde.
    Frank dachte nicht lange darüber nach, ob das, was er tat, erlaubt oder sinnvoll war. Er legte sich auf den Bauch, hob die metallene Klappe an und spähte durch den schmalen Schlitz. Er sah hellgraue Kacheln, eine braune Fußmatte, zwei Paar Schuhe und eine weiße Einkaufstüte. Sie lag mit der Öffnung zur Tür auf den Kacheln.
    Diese Tüte hatte Lavinia im Taxi nicht aus der Hand gelassen. Sie schien etwas sehr Wichtiges zu enthalten. Frank konnte sich an das Logo des größten Elektronikfachmarktes der Stadt erinnern.
    Das alles passte nicht zusammen.
    Frank drängte sich noch näher an den Schlitz, steckte sogar

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