Wassermanns Zorn (German Edition)
keine Drohung, sondern ein guter Rat. Ich kann Sie verstehen, wirklich. Aber ich weiß auch, wie es zugeht in unserer Welt, und ich habe den Eindruck, Sie wissen es nicht. Also, denken Sie darüber nach. Schlafen Sie eine Nacht darüber, und dann tun Sie, was Sie tun müssen.»
Er sah ihr direkt in die Augen.
Obwohl ihr so viel auf der Zunge lag, sah Manuela ein, dass es jetzt besser war zu schweigen.
«Die Taucher haben sie gefunden», sagte Nielsen schließlich.
29
Eric Stiffler beobachtete die drei Aluminiumboote in der Mitte des Sees. Im Licht der leistungsstarken Scheinwerfer glänzten sie silbern.Vor wenigen Minuten noch hatten ihre kleinen Außenbordmotoren gesummt wie ein Bienenschwarm. Jetzt standen die Boote still, die Motoren waren abgestellt, und die Dieselgeneratoren der Scheinwerfer röhrten allein vor sich hin.
Seit mehr als einer Stunde suchten die Froschmänner von der Feuerwehr den See ab. Es waren erfahrene Taucher. Kein Sommer verging in dieser seenreichen Gegend ohne Badeunfälle, und seit sich immer häufiger Jugendliche an den Seen trafen, um sich sinnlos zu betrinken, wurde die Feuerwehr regelmäßig zu Einsätzen dieser Art gerufen. In diesem See suchten sie jedoch zum allerersten Mal. Niemand kannte sich mit der Beschaffenheit seines Grundes aus, seine Tiefe war nicht bekannt, und möglicherweise gab es unter Wasser Strömungen. Es war ein kleiner See, und in den letzten Wochen war es sehr warm gewesen, sodass das Wasser voller Algen war, die die Suche erschwerten.
Eric hatte sich seit einer Stunde nicht von der Landzunge wegbewegt. Er war am Ufer auf und ab gegangen und hatte die Boote nicht aus den Augen gelassen. Immer wieder hatte er sich gewünscht, sich getäuscht zu haben, aber tief in seinem Inneren wusste er, dass es nicht so war. Die Sperling und er waren nicht zufällig auf eine Selbstmörderin getroffen, auch nicht auf eine Badende, die einen Krampf bekommen hatte, nein, sie waren einfach nur etwas schneller gewesen, als der Wassermann es geplant hatte.
Oder hatte er es genau so geplant?
Das wollte Eric nicht glauben. Der Wassermann konnte ja nicht wissen, wie schnell sie die Ergebnisse der Wasserproben bekommen hatten. Dafür hätte er sie die ganze Zeit über beobachten müssen. Nein, es musste ein Zufall sein, ein grausamer Zufall, der diesem Irren sicher Spaß machte.
Fünfzig Beamte einer Sondereinheit waren schon dreißig Minuten nach dem Vorfall vor Ort gewesen und hatten sich um den See herum postiert. Sie hatten Hunde mitgebracht, ein Polizeihubschrauber mit einer Wärmebildkamera an Bord war über dem See und die umliegenden Felder gekreist, doch den Wassermann hatten sie nicht gefunden. Eine halbe Stunde musste ihm ausgereicht haben, um zu flüchten. Es sei denn …
Im See konnte der Wassermann sich ohne Weiteres verstecken, dort funktionierte die Wärmebildkamera nicht, und auch die feinen Nasen der Hunde waren machtlos. Im trüben Wasser des Sees würden ihn die drei Taucher der Feuerwehr niemals finden, wenn er sich nur weit genug entfernt hielt. Hin und wieder könnte er irgendwo in dem dichten Uferdickicht auftauchen, um Luft zu holen. Aber vielleicht brauchte er das ja auch gar nicht. Vielleicht war dieser Irre ja gar kein Mensch, sondern irgendetwas anderes. Eric musste an die Sage von Nöck denken, jenes Wasserdämons, der unter Wasser lebte.
Das war natürlich alles Quatsch, und er wusste das, aber es kam ihm trotzdem alles so real vor. Denn er fühlte sich beobachtet. Vom Wasser aus.
Immer noch.
Wenn er doch nur von hier wegkommen könnte.
Lange konnte es nicht mehr dauern.
Vor fünf Minuten hatten die Taucher die Leiche gefunden. Die Boote hatten sich über der entsprechenden Stelle in der Mitte des Sees eingefunden und warteten dort. Unterwasserscheinwerfer waren herabgelassen worden. Ein Taucher hatte ein Seil vom Boot ins Wasser gezogen, wahrscheinlich, um damit die Leiche zu bergen.
Warum dauerte das alles so lange?
Er drückte die Sprechtaste des Funkgeräts und erkundigte sich beim Einsatzleiter der Feuerwehr, der in einem der Boote saß.
Die Leiche steckte unter einem Baumstamm fest. Jemand hatte sie darunter verkeilt.
Nein, nicht jemand. Der Wassermann. Und er hatte sich wieder ein Opfer gesucht, das Eric kannte, da brauchte er sich nichts vorzumachen. Die Frau war auf das offene Wasser hinausgezogen worden wie in einem verdammten Haifilm, und er hatte das Gesicht zu gut sehen können, um sich zu täuschen. Gleich würde er die
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