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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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würde. Sie hatte ihn verschaukelt, so einfach war das. Und er benahm sich wie ein Vollidiot, wie ein Schüler, der für seine große Liebe den Helden spielen wollte.
    Mein Gott, wie peinlich.
    Aber warum lag die Einkaufstüte im Flur?
    In einem Anflug von Hoffnung erzählte Frank dem Polizisten davon.
    Der hörte geduldig zu und nickte dann.
    «Sie werden verstehen, dass wir wegen einer in der Wohnung liegengelassenen Einkaufstasche nicht die Tür aufbrechen können. Aber ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich gebe Ihnen meine Karte, und wenn noch irgendwas sein sollte, dann rufen Sie mich an oder schauen auf dem Revier vorbei. Auf eine Anzeige wegen versuchten Einbruchs oder Hausfriedensbruchs verzichten wir. Können Sie damit leben?»
    «Muss ich wohl», sagte Frank und nahm die Karte.

28
    See Nummer drei war ein idyllischer Ort, dachte Manuela Sperling.
    Aber was geschehen war, würde für alle Zeit auf diesem See lasten wie ein böser Fluch. Die Menschen würden noch Jahre später darüber reden. Junge Leute würden an Lagerfeuern sitzen und mit leiser Stimme von einem Monster erzählen, das in den dunklen Wassern lebte und junge Frauen in die Tiefe zog. Klar, sie würden dabei lachen und so tun, als glaubten sie nicht daran, aber selbst den Mutigsten unter ihnen würde ein Schauer über den Rücken laufen, und sie würden heimlich nach verdächtigen Schatten unter Wasser Ausschau halten.
    Auch sie selbst würde von heute an immer Ausschau halten, vielleicht sogar nie wieder in einem See schwimmen, in dem sie den Grund nicht sehen konnte. Sie war bis ins Mark erschüttert. Noch immer spürte sie die Stelle an ihrer Wade, an der dieses Etwas im Wasser sie berührt hatte.
    Manuela saß hinten in einem Rettungswagen der Feuerwehr. Die Türen standen weit offen, das Licht brannte hell, und von vorn drang hin und wieder ein Knistern aus dem Funkgerät. Ihr Blick fiel auf den Trampelpfad, über den sie sich hatte kämpfen müssen. Jetzt hatten die Beamten die längsten Dornenranken zurückgeschnitten, und das Gras war niedergetrampelt. Metallstangen steckten in Meterabständen im Boden. Sie waren durch rot-weißes Absperrband miteinander verbunden. Der künstliche Korridor führte bis ans Ufer und markierte den Bereich, den man betreten durfte. Alles andere gehörte den Spurentechnikern, die sich direkt am See zu schaffen machten.
    Von dort drang gleißendes Licht herüber. Die Techniker hatten starke Scheinwerfer aufgestellt.
    Die Sonne war längst untergegangen und hatte dabei spektakuläre Farben an den Himmel geworfen. Was für eine Verschwendung, denn hier am See hatte niemand hingesehen. Manuela empfand es als beruhigend, dass die Nacht hereingebrochen war. Aber vielleicht wirkte auch nur das leichte Beruhigungsmittel, das der Notarzt ihr vorsorglich injiziert hatte. Er war so einfühlsam gewesen, da hatte Manuela es ihm nicht abschlagen können.
    Sie hätte sich von einem der unzähligen Beamten, die das Areal absperrten, nach Hause fahren lassen können, doch sie hatte sich einfach nicht aufraffen können. Sie hatte einen der orangefarbenen Overalls der Sanitäter angezogen und saß in zwei warme Decken gehüllt hinten im Rettungswagen, nippte an einer Tasse heißer Brühe und genoss es, all die Menschen um sich zu wissen. Allein zu Hause wäre der Schrecken mit aller Macht über sie hereingebrochen.
    Sobald sie die Augen schloss, kamen die Bilder. Von der Frau, wie sie hilflos und verzweifelt mit den Armen ruderte und auf das offene Wasser hinausgezogen wurde. Von ihrem Gesicht, das hell vor dem schwarzen Hintergrund des Wassers leuchtete, von der Hand, die nach oben schnellte, die Halt suchte und doch keinen fand, ins Leere griff und schließlich in die Tiefe sank. Von ihren Augen …
    Diese Bilder waren grausam und verstörend, aber noch schlimmer war für Manuela die Erinnerung an das, was sie gespürt hatte.
    Da war etwas gewesen unter Wasser. Das hatte sie sich nicht eingebildet, und niemand würde es ihr ausreden. Sie konnte nicht sagen, was, weil sie es nicht gesehen hatte. Aber es musste ein Mensch gewesen sein. In deutschen Seen gab es keine Lebewesen, die einem Erwachsenen gefährlich werden konnten. Er war unter ihr geschwommen und hatte ihr Bein gestreift. Wenn sie nur daran dachte, brannte die Stelle, als wäre es eine Feuerqualle gewesen.
    Er war ganz nah gewesen. Er hätte sie ohne Weiteres unter Wasser zerren können. Warum hatte er es nicht getan?
    Stiffler war keine Hilfe gewesen. Er hatte

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