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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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See. Während sie gehen, sträuben viele von ihnen das Fell im Nacken und bis zu den Armen herab, um sich gegen die Hitze zu schützen.
    Am Seeufer stellen sie sich in einer bestimmten Ordnung auf, alle der scheinbar endlosen, öden Fläche des ausgetrockneten Beckens zugekehrt, über dem die Luft in der Hitze flirrt. Die Jüngeren bilden eine Doppelreihe vor den anderen, jeder in einer Armeslänge Abstand von denen, die ihn flankieren. Die Erwachsenen bilden zwei Halbkreise hinter ihnen, und der Mann im schwarzbraunen Fell nimmt den Platz in der Mitte der letzten Reihe ein.
    Die Jungen stimmen einen Gesang an, der von den Erwachsenen aufgenommen wird. Der Schwarzbraune streckt die Arme zum Himmel, reicht hinauf zu seinem Gott und heult mit brüchiger, gequälter Stimme. Darauf erheben mehrere der anderen ihre Arme, und die Inbrunst des Gebetes nimmt zu.
    Ich möchte euch Regen bringen, denkt Garrett. Ich versuche es.
    Aber ich weiß, daß sie seine Gedanken nicht hören, und fühlt sich hilflos. Was nützt ein Gott, der nichts für sein Volk tun kann? Was nützt ein Gott, der sein Volk sterben läßt?
     
    An einem Montagnachmittag gingen er und Janet durch den Ostteil des Parks am Golden Gate. Am Himmel wälzten sich dunkle Wolken und drohten mit Regen. Garrett und Janet waren warm angezogen, mit Mänteln, Schals und Stiefeln. Beim nahezu verlassenen Kinderspielplatz setzten sie sich auf eine Bank. Zwei Jungen, ungefähr sieben oder acht Jahre alt und in Parkas und Fäustlinge verpackt, tappten unsicher über eine Brücke aus Ketten und Autoreifen, beaufsichtigt von einer Frau, die eine Zigarette rauchte.
    »Du mußt etwas tun«, sagte Janet. »Es wird schlimmer, nicht besser. Du findest nicht mehr genug Nachtschlaf, und immer bist du müde. Nun, im Augenblick mag es angehen, aber wenn dein Urlaub um ist und du zurück mußt …« Sie brach mit einem Achselzucken ab. »Unserer Beziehung tut es auch nicht gerade gut.«
    Garrett schloß die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Er versuchte, die Wolken durch eine Willensanstrengung zu veranlassen, daß sie die Schleusen öffneten und einen Regenguß niedergehen ließen, oder wenigstens ein Nieseln. Nichts geschah.
    »Ich weiß, daß die Visionen dir wie Träume vorkommen«, sagte er. Er streckte die Hand aus und legte sie ihr aufs Knie. »Wahrscheinlich würde ich genauso denken, bloß …« Er öffnete die Augen, richtete sich auf und sah sie an. »Es ist zuviel Logik mit im Spiel. Und ein regelrechtes Muster. Wenn sie sich bloß wiederholen würden, aber das tun sie nicht. Die Dürre dauert an, alles trocknet aus, wird schlimmer. Jeder ›Traum‹ ist eine Fortsetzung, eine Weiterentwicklung des Vorangegangenen, und es gibt keine Rückkehr. Ich kann nicht glauben, daß bloße Träume während einer derart langen Zeit so konsequent einem Entwicklungsablauf folgen.«

    Janet steckte beide Hände in die Manteltaschen. »Was könnten sie sonst sein? Visionen? Ein Fenster in eine andere Realität? Telepathischer Kontakt mit einer anderen Welt? Mein Gott, Garrett, wir haben alles das immer wieder diskutiert, und nichts davon ergibt einen Sinn. Jede Idee klingt absurd.«
    Er stand auf und ging vor der Bank auf und ab. Mehrmals setzte er zum Sprechen an, konnte aber nicht. Schließlich holte er tief Luft und blieb vor ihr stehen.
    »Hör zu, etwas, das ich dir nicht gesagt habe. Als es das erste Mal passierte, als ich diese ›Vision‹, oder wie du es nennen willst, zuerst erlebte, schlief ich nicht. Ich war wach, ich träumte nicht.« Er wartete, aber sie blieb still.
    »Ich war nicht mal hier auf Erden.« Er ging weiter auf und ab.
    »Es war kurz nach dem Verlassen des Marsorbits. Ich war wach, wir alle waren wach. Auf einmal aber war ich … dort, auf dieser fremden Welt, über ihr, und blickte hinab auf ausgetrocknete Wasserläufe, die unzweifelhaft einmal Flüsse gewesen waren, auf Tümpel, die einst große Seen gewesen waren, auf einen sterbenden Wald. Ich blickte hinab auf eine sterbende Rasse intelligenter Wesen. Es dauerte lang, Stunden schienen es zu sein, in denen ich diese fremdartigen Geschöpfe beobachtete, wie sie sich in ihrer Welt bewegten, zu überleben versuchten. Und als es vorbei war, und ich wieder ›zurück‹ an Bord war, hatte niemand etwas bemerkt. Es war so gut wie keine Zeit verstrichen. Ich war nicht in einem Trancezustand gewesen und hatte gewiß nicht geschlafen und geträumt.«
    Er stand da und beobachtete die beiden Jungen, die von der

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