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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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stehen und sich das Wasser aus den Haaren schütteln, wie ein Hund. Jessicas Laune hob sich, als sie daran dachte. Sie legte ihrer Mutter die Arme um den Hals und klammerte die Hände fest um die gegenüberliegenden Ellbogen. Sie würde nicht loslassen. Nie mehr. Jessica beschloß, daß sie dort bleiben würde, wenn ihre Mutter aufstand, und zwar für den Rest ihres Lebens. Sie würde am Hals ihrer Mutter hängen wie ein Stein.
     
    Originaltitel: »The Gate of Ghosts«
    Copyright © 1986 by Bantam Books
    (erstmals erschienen in der Collection »Artificial Things«)
    mit freundlicher Genehmigung der Autorin und ihrer literarischen Agentur, Uwe Luserke, Friolzheim
    Copyright © 1988 der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Peter Robert

 
Richard Paul Russo
Gebete eines Regengottes
     
    Janet sah ihn im schräg zum Fenster einfallenden Mondlicht zittern. Garrett träumte wieder, und es mußte die gleiche »Vision« sein, die sich jetzt drei- oder viermal in der Woche wiederholte. Sie sah es seinem verkniffenen Gesicht an, dem Schweiß an seinem Hals und den plötzlichen, unregelmäßig keuchenden Atemzügen, als überanstrenge er sich …
     
    Sie beten zu ihm um Regen.
    Körperlos schwebte er über ihnen, über der ungeheuren Weite aus ödem Fels und Sand, Erdhügeln, einem sterbenden Wald in der Ferne. Die Sonne brennt herab, saugt alle Feuchtigkeit aus der Luft. Ein paar kärgliche Pflanzen gedeihen noch, spindeldürr und spröde. Durch Fels und Sand windet sich ein ausgetrocknetes Flußbett und mündet in etwas, was einst ein großer See war. Wo der Fluß Auskolkungen geschaffen hat, stehen in seinem Bett noch vereinzelte Tümpel, und auch draußen in der rissigen, ausgetrockneten Ebene des früheren Sees glänzen da und dort kleine Wasserlachen. Am sanft geneigten Uferhang liegen die verlassenen Rümpfe mehrerer kleiner Segelboote.
    Hier, an der Mündung des ausgetrockneten Flusses, haben sie sich versammelt, fünfzig oder sechzig an der Zahl und beten zu ihm.
    Sie sind keine Menschen, doch sind sie offensichtlich intelligent. Zweibeinig, in rostbraun bis gelblich getönten Fellen – einer, der Größte, ist schwarzbraun –, stehen sie am Ufer des ausgetrockneten Sees und erheben die Gesichter zu ihm.
    Ihre Augen sind klein, tiefliegend, die Nasen lang und schmal. Wenn sie Ohren haben, dann sind sie in dem feinen Fell verborgen, das ihre Köpfe bedeckt. Sie öffnen und schließen den schmalen Mund bei ihren Anrufungen. Einige heben die langen dünnen Arme mit ausgestreckten Fingern zum Himmel. In ihren Gebärden und im Ausdruck ihrer Gesichter erkennt er ihre Bitte an ihn, ihren Gott.
    Sie sind sein Volk, und sie sterben. Sie flüstern und singen an der Flußmündung, flehen ihn an um Regen und um Leben.
     
    Garrett erwachte in Panik. Seine Kehle war trocken und beengt, er schnappte in der Dunkelheit nach Luft, stieß Decke und Laken von sich. Janet ergriff seine Hand, drückte sie an ihre Brust.
    »Garrett«, flüsterte sie. »Es ist gut, ich bin da.« Ihre Stimme besänftigte, ließ die Furcht abebben.
    Er wandte den Kopf und sah ihr Gesicht im Mondschein, die glatte Haut, die großen, auf ihn gerichteten Augen. Sie ließ seine Hand los und wischte ihm die schweißnasse Stirn.
    »Wasser?« fragte sie.
    Garrett nickte. Er hob die Beine über die Bettkante und setzte sich auf. Ein leichtes Zittern durchlief seine Hand, verlor sich. Er füllte das Becherglas mit Wasser aus der Karaffe, die er seit einiger Zeit auf dem Nachttisch stehen hatte. Mondlicht brach sich im klaren Wasser, und Garrett trank das Glas rasch leer, füllte es auf, trank auch die zweite Füllung des gekühlten Wassers und stellte das Glas zurück auf den Nachttisch. Er war noch immer durstig, fühlte sich jedoch aufgequollen und unwohl.
    Er schaute durch die Gardine hinaus zum nahezu vollen Mond. Es war ihm nicht möglich, das Gefühl von Furcht und Verantwortlichkeit abzuschütteln. Und von Schuld.
    »Der Traum?« fragte Janet.
    »Kein Traum«, antwortete er. Dieser Wortwechsel wurde bereits zu einem angespannten Ritual. Janet bestand darauf, sie Träume zu nennen, und er lehnte es ab, ihnen diesen Namen zu geben. Er öffnete das Fenster und ließ die kalte Nachtluft ein; noch jetzt spürte er die Hitze der ausgedörrten Welt, die ihm alle Feuchtigkeit entzog.
    Vielleicht war es Zeit, wieder auf Reisen zu gehen, etwas zu unternehmen, was ihm eine Perspektive gab. Er schüttelte den

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