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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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steckt.
    Das nächste Mal nimmt er zwei Fackeln heraus und pflanzt sie noch weiter flußabwärts in den Boden, immer im gleichen Abstand voneinander.
    So arbeitet die einsame Gestalt weiter, trägt die Fackeln immer weiter flußabwärts, um sie ins Geröll des Flußbetts zu stecken. Von oben sieht es aus, als sollte der Flußlauf mit der langen Reihe der Feuerbrände markiert werden.
    Schließlich reicht diese Markierung bis zur Mündung in den ausgetrockneten See. Sobald die letzte Fackel in den Boden gestoßen ist, kehrt der Schwarzbraune zurück zum Feuer, nimmt so viele Fackeln heraus, wie er ohne Gefahr tragen kann, und schleppt sie zum Seeufer. Dort steckt er sie am Ende der Fackelreihe sorgfältig in einem kleinen Kreis in den rissigen, ausgedörrten Schlamm.
    Alle Fackeln brennen gleichmäßig, ohne erkennbares Nachlassen der Leuchtkraft. Die einsame dunkle Gestalt schreitet den Feuerkreis am Seeufer ab. Nach einer Weile tritt sie ins Innere des Kreises, hebt Arme und Gesicht zum Himmel und heult. Als die Antwort ausbleibt, läßt sie den Kopf hängen, fällt dann plötzlich auf die Knie und gräbt innerhalb des Feuerkreises mit beiden Händen ein Loch. Dann steckt sie einen Finger, die ganze Hand in das Loch. Müde bewegt sie den Kopf von Seite zu Seite, darauf beugt sie sich nieder und steckt Nase und Mund in das ausgegrabene Loch. Tiefer und tiefer bohrt sie ihr Gesicht hinein, dann zieht sie es mit einem Ruck wieder heraus und blickt zum Nachthimmel auf. Mund und Nase sind bis zu den kleinen Augen hinauf mit trockenem Sand bedeckt.
    Der Schwarzbraune steht bedächtig auf, breitet die Hände aus und spuckt heftig auf den Boden.
     
    Garrett erwachte hustend und nach Atem ringend. Er richtete sich im Bett auf. Mund und Kehle waren trocken und aufgerauht. Er schnappte nach Luft, immer noch hustend, und fühlte Janets Hand an seinem Arm. Nach einer Weile legte sich der Hustenanfall, und er atmete leichter. Er wischte sich den Mund, fühlte Sand an den Fingern.
    Er blickte auf seine Hand, dann befühlte er mit der Zunge die Mundhöhle. Mehr Sand. Er wandte den Kopf und sah Sand auf seinem Kissen, dem Laken. Er streckte Janet die Hand hin.
    »Sand – sag mir, daß ich halluziniere! Ich habe Sand im Mund, in der Kehle, und woher zum Teufel ist er gekommen? Von einer gottverlassenen Welt, ja, von dort!« Er schlug mit der Faust aufs Kissen, griff zur Wasserkaraffe auf dem Nachttisch. Er goß Wasser in sein Glas, dann hielt er in der Bewegung ein und starrte die Karaffe mit dem klaren Wasser an. Zorn und Frustration stiegen in ihm auf, drängten nach Freisetzung, und zum ersten Mal im seinem Leben fürchtete er, daß er imstande wäre, es an Janet auszulassen. Er packte die Karaffe und schleuderte sie durch das Schlafzimmer gegen die Wand. Das Gefäß zersplitterte, Wasser spritzte über Wand und Boden. Garrett begrub das Gesicht in den Händen und saß lange Zeit bewegungslos auf der Bettkante, drückte die Handflächen so fest wie möglich gegen sein Gesicht.
     
    Garrett hatte beinahe ganz aufgehört, zu ihr zu sprechen. Sie hatte versucht, eine andere Erklärung für den Sand zu finden – daß sie im Park und in der Nähe des sandigen Kinderspielplatzes gewesen waren –, aber davon wollte er nichts wissen. Die meiste Zeit verbrachte er mit Spaziergängen, obwohl Janet nicht wußte, wohin er ging. Nach dem Essen hielt er Mittagsschlaf, ging abends früh zu Bett und schlief lange. Er hörte auf, die Mahlzeiten zu bereiten, also übernahm Janet das Kochen, doch aßen beide nur noch wenig und ohne Appetit. Garrett hatte die Träume jetzt regelmäßig, und sie glaubte, er versuche, ständig zu schlafen, um in einem fortwährenden Traumzustand zu bleiben.
    Zweimal war sie nahe daran, auszuziehen, weil sie meinte, es nicht länger ertragen zu können, doch brachte sie es nicht über sich, ihn allein zu lassen. Sie wartete einfach, daß es aufhöre, oder daß Garretts Zustand sich bis zu einem Punkt verschlechtere, wo er irgendwo zur Pflege untergebracht werden müßte.
    So war sie durchaus überrascht, als er eines Tages ein längeres Gespräch begann. Er hatte ein Kaminfeuer angezündet und sie gebeten, ins Wohnzimmer zu kommen, daß er mit ihr reden könne. Tonfall und Benehmen schienen ihr normal und vernünftig, als sei nichts geschehen.
    »Als erstes«, begann er, »möchte ich mich entschuldigen. Ich kann mir vorstellen, was du durchgemacht hast, und du verdienst das nicht. Aber ich kann nichts daran

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