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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Brücke gesprungen waren und im Sand rangen. Es begann, leicht zu regnen, und die Frau rief die Jungen zu sich. Sie liefen zu ihr, und die drei eilten davon.
    »Du sagtest niemandem etwas davon, nicht wahr?«
    Garrett schüttelte den Kopf. Er fand es schwierig, den Kopf zu wenden und ihr in die Augen zu blicken. Aber er brachte es zuwege. Ein paar feuchte Haarsträhnen hingen ihr ins Gesicht, das so rein und glatt war. Ihre Augen, die ihn so groß anblickten, nahmen ihn gefangen.
    »Das Verrückte daran«, fing er wieder an, »das Schwierigste und Absurdeste von alledem ist, daß sie beteten. Sie beteten zu mir, ihrem Gott.« Er schaute auf seine offenen Hände, dann in ihr Gesicht. »Ich bin ihr Gott, verstehst du?«
    Er stand da und wartete auf ihre Antwort, aber mehrere Minuten vergingen, bevor sie aufstand, sich bei ihm einhängte und seinen Arm drückte.
    »Laß uns heimgehen!« sagte sie.
     
    Sie hatten zwei oder drei Stunden lang nicht gesprochen. Nachdem sie aus dem Regen heimgekommen waren und getrennt geduscht hatten, hatte Janet Feuer im Kamin gemacht, während Garrett das Abendessen vorbereitete. Sie saß mit einem Buch von Heinrich Böll und einem Glas Jack Daniels am Kaminfeuer. Die Flammen zogen ihren Blick an, und sie verbrachte mehr Zeit mit der Betrachtung des Kaminfeuers als mit Lesen.
    Sie wußte nicht, was sie von Garrett halten sollte. Er war kein irrationaler Mensch. Er neigte weder zu Mystizismus noch zu Astrologie oder zum Glauben an paranormale Kräfte. Er hatte auch nie zuvor an Träume geglaubt, die die Zukunft voraussagten. Er war allenfalls ein Skeptiker. Er stellte alles in Frage, ohne Voreingenommenheit, aber es bedurfte logischer Argumente, ihn zu überzeugen. Garrett übernahm nichts ungeprüft.
    Dennoch glaubte er unzweifelhaft, was er gesagt hatte. Er glaubte so fest daran, daß es ihm Schmerzen bereitete.
    Er kam ins Wohnzimmer und setzte sich zu Janet. Sie legte das Buch aus der Hand und blickte ihn an.
    »Ich habe eine Schmorpfanne vorbereitet«, sagte er. »Sollte in ungefähr einer Stunde fertig sein.« Dann holte er tief Atem. »Janet, meinst du … Es gibt eine Erklärung, die wir nie diskutiert haben. Die wir diskret vermieden haben«, sagte er lächelnd. »Aber meinst du, ich könnte unter Realitätsverlust leiden? Den gesunden Menschenverstand verloren haben?«
    »Glaubst du das?«
    »Nein.« Die Antwort war entschieden und fest.
    »Ich glaube es auch nicht«, sagte sie. »Aber es ist eine Möglichkeit, die in Betracht gezogen werden muß.«
    Er nickte, und sie blieben lange still. Janet leerte nach und nach ihr Glas, während Garrett ins niederbrennende Kaminfeuer starrte. Er stand auf und legte ein Scheit nach.
    »Ein Gott?« sagte sie.
    Er zuckte die Achseln. »Ich weiß, wie es sich anhört. Aber ich bin ein … eine Erscheinung über ihnen, und sie beten zu mir.« Er wandte sich zu ihr. »Ich weiß es, Janet, tief in meinem Innersten. Es gibt keinen Zweifel in mir. Ich mag ihnen nicht helfen, aber sie beten zu mir, und ich bin ihr Gott.«
    Janet schüttelte den Kopf. »Du bist ein Mensch, Garrett, du hast keine besonderen Kräfte. Ist es nicht wahrscheinlicher, daß du eine Art von Kontakt hergestellt hast und diese Welt bloß beobachtest?«
    Er schaute weg und ins Feuer. »Denkst du, ich möchte ein Gott sein? Meinst du, ich hätte eine Wahl?«
    Wieder wurde es still. Janet schaute ihn an, dann schüttelte sie wieder den Kopf, langsam. »Du bist kein Gott«, sagte sie.
     
    Zum ersten Mal ist es Nacht.
    Er kann die Umrisse des Dorfes kaum ausmachen. Im schwachen Mondlicht scheint es, daß die meisten Dorfbewohner schlafen.
    Im Flußbett brennt ein großes Feuer. Der Große mit dem schwarzbraunen Fell steht dabei und legt die Enden langer Holzscheite ins Feuer, so daß sie kreisförmig wie Radspeichen angeordnet sind. Die Enden scheinen mit einer brennbaren Substanz bedeckt zu sein, denn sobald sie mit dem Feuer in Berührung kommen, flammen sie funkensprühend auf. Fünfzig oder sechzig dieser langen Holzscheite stecken in dem Feuer.
    Der Schwarzbraune nimmt eines der Scheite in die Hand, eine Fackel jetzt, deren Ende lichterloh brennt, und geht zwanzig Schritte das Flußbett hinab. Er steckt die Fackel in das trockene Geröll. Sie brennt gleichmäßig, ein leichter Wind bewegt die Flamme. Er kehrt zum Feuer zurück, zieht ein weiteres Holzscheit heraus und trägt es weiter stromabwärts, wo er es so weit vom ersten, wie dieses vom Feuer entfernt ist, ins Flußbett

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