Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
gelangte zu der Überzeugung, daß Garrett nun doch die Berührung mit der Realität verloren habe und schizophren geworden sei, brachte es jedoch noch immer nicht über sich, ihn wie ein hilfloses Tier fortschaffen zu lassen. Dann hörte er eines Tages auf zu trinken, nahm keine Schlaftabletten mehr. Auch jetzt sprach er nur selten, aber er aß regelmäßiger, begann, körperliche Übungen zu machen und gab den Versuch auf, den ganzen Tag zu schlafen. Garrett schien sich körperlich und geistig zusammenzureißen, und als er seinen ersten ruhigen Nachtschlaf seit Wochen hatte, begann Janet zu glauben, das Schlimmste sei überstanden.
    Da kehrte der Traum wieder.
     
    Sie sterben.
    Eine der Jungen wird tot neben einem Steinhaufen aufgefunden, und die Dorfbewohner versammeln sich um sie. Sie zögern, als wollten sie der Toten die Ehre der Trauer erweisen. Der Schwarzbraune flüstert ein paar Worte, macht mit den Händen mehrere Bewegungen in die Luft, ergreift dann ein Messer und macht sich daran, die Tote aufzuschneiden. Zwei andere halten Schalen und fangen das Blut auf, die kostbare Flüssigkeit. Als der Blutfluß versiegt ist, beginnt der Schwarzbraune die Tote abzuhäuten, das Fleisch herauszuschneiden.
    Garrett möchte nicht hinsehen, möchte sich abwenden, um nicht Zeuge des Geschehens sein zu müssen. Aber er kann es nicht, weil er ihr Gott ist, und ein Gott sieht alles.
    In der nächsten Kochgrube ist ein Feuer entzündet worden, und darüber haben die Dorfbewohner einen Rost aufgestellt. Sie umdrängen das Feuer. Rauch steigt vom Rost empor, während das Fleisch gebraten wird.
    Nicht ein einziges Mal haben die Leute zu ihm aufgeblickt, sei es im Gebet oder im Zorn, als existiere er nicht mehr. Der Himmel ist wolkenlos, die Luft ausgetrocknet. Garrett fühlt sich wertlos und deprimiert, er ist ein aufgegebener, unfähiger Gott.
     
    Es gab nur eine Chance, sein Volk zu retten.
    Garrett hatte keine Zeit, die Herrschaft über seinen Schlaf und die Traumzustände zurückzugewinnen. Es würde Wochen erfordern, und bis dahin würden sie alle tot sein.
    Er nahm eine der Seconalkapseln zwischen die Finger, die auf dem Nachttisch lagen. Er steckte sie in den Mund, nahm einen Schluck Wasser und spülte sie hinunter. Eine zweite folgte, dann blieb er mehrere Minuten still sitzen.
    Er hatte es so genau wie möglich ausgearbeitet. Die selbstverschriebene Dosis Seconal sollte ihn in ein tiefes Koma versetzen, doch solange Janet rasch handelte, würde es ihn nicht töten. Garrett glaubte fest daran, daß es ihm im Koma auf einer unterbewußten Ebene gelingen würde, den Zustand aufrecht zu erhalten. Wenn er an ein lebenserhaltendes System angeschlossen wäre, würde ihm dabei nicht viel passieren.
    In Abständen schluckte er drei weitere Kapseln Seconal. Wieder wartete er, schaute zum Fenster hinaus in das trübe Licht der verborgenen Mondsichel.
    Janet. Das war es, was am meisten schmerzte: daß er ihr dies antun mußte, und daß sie noch Schwereres würde ertragen müssen. In den letzten Wochen hatte er wenig an sie gedacht, hatte ihre hilfreiche Gegenwart in mancherlei Hinsicht als gegeben vorausgesetzt. Wenn es anders hätte sein können … aber er wußte, daß er keine Wahl hatte. Sie war stark und würde überleben. Aber dies war die einzige Überlebenschance für sein Volk.
    Garrett nahm die restlichen Kapseln und trank das Wasser aus. Er stellte den Wecker und legte den Brief daneben. Der Brief war für Janet. Er sagte ihr, was er getan hatte, was sie zu tun hatte und erinnerte sie an ihr Versprechen.
    Er begann Schläfrigkeit zu verspüren, aber das mochte ein Nebeneffekt seines Geisteszustandes sein und noch nicht die einsetzende Wirkung der Kapseln. Garrett legte sich aufs Bett und blickte zur Decke auf. Es war kalt im Zimmer, und er zog eine Wolldecke über sich.
    Nach und nach begann sich ein Gefühl der Schwere in seinem Körper auszubreiten, als versinke er im Bett. Er wehrte sich nicht dagegen, versuchte nicht, wach zu bleiben oder sich zu bewegen. Bald würde es geschehen. Bald würde er seinem Volk Regen bringen. Garrett fühlte sich dessen ganz sicher, und er begrüßte das Absinken in Schlaf und Bewußtlosigkeit. Er würde ihnen Regen bringen und ihnen das Leben retten.
     
    Der Morgen graute. Janet saß auf dem Stuhl am Fuß des Krankenbettes, hellwach, obwohl sie die ganze Nacht kein Auge zugetan hatte. Die Leuchten der Monitore blinkten still in regelmäßigen Mustern – blau, grün, weiß. Es gab

Weitere Kostenlose Bücher