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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Welt weiterexistieren könne. Hier im Palm Valley, so sagte Emma, gibt es Felsspalten, die so tief sind, daß sie bis zu Bugaris Wohnung reichen, und wenn es zu stark regnet, dann sickert das Wasser durch die Spalten und weckt den Weltenträumer, deshalb hätten die Aboriginals solche Angst vor ausgedehnten Regenfällen.«
    »Na zum Glück kommt das hier ja nicht so oft vor«, warf ich ein, wobei ich nicht den lockeren Ton traf, den ich vorhatte anzuschlagen, und als meine Hand die feuchte Kühle der Bierdose fühlte, zuckte ich unwillkürlich zusammen. Einen Moment lang hatte ich den Eindruck, als ob die Kälte an meiner Hand entlang meinen Arm nach oben kriechen und wie eine eiserne Klammer nach meinem Herz greifen würde. Doch als ich noch darüber nachdachte und dem mißbilligenden Blick Bills, des Vaters oder des Sohns, fragte ich mich einen Moment lang, auswich, war das Gefühl schon wieder verflogen.
    »Siehst du«, war Bills Antwort, »du hast keine Ahnung. Aber ich war einmal genauso, als der Beutelwolf starb.«
    Ich schaute ihn erstaunt an. Gehörte mein junger Australier vielleicht auch zu den Leuten, die entgegen allen Wahrscheinlichkeiten glaubten, der Beutelwolf würde noch existieren. Ich verkniff mir eine dahingehende Bemerkung.
    »Mein Vater«, fuhr Bill fort, »fragte Emma, warum sie ihn hierher gebracht hätte, doch sie zuckte nur die Achseln, machte eine ausholende Geste mit dem Arm und sagte: ›Du sehen, du verstehen.‹
    Danach führte sie ihn zu zwei Aboriginals, die zur Seite rückten und so Platz schufen, damit er zwischen ihnen hindurchgehen konnte. Doch Emma ließ ihn den Kreis nicht betreten, sondern bedeutete ihm, sich in die Reihe einzuordnen. Bill versuchte gar nicht die kauernde Haltung der Eingeborenen nachzuahmen. Er setzte sich auf den Boden und verfolgte angespannt die Handlungen des Alten, der sich als einziger innerhalb des Kreises aufhielt. Draußen prasselte der Regen mit ungebrochener Macht auf Palm Valley herab. Selbst in der Höhle war das Rauschen der Palmkronen und das Klatschen der Tropfen noch deutlich zu vernehmen.
    Der Alte, man könnte ihn vielleicht einen Medizinmann nennen, warf von Zeit zu Zeit Wurzeln und ein unbestimmbares Pulver ins Feuer, worauf es aufloderte und dann einen unangenehmen Geruch absonderte. Je länger Bill in das Feuer starrte, desto unwirklicher wurde ihm die ganze Szenerie. Der Schein der Flammen brach sich an den Wänden und erfüllte das tote Gestein mit gespenstigem Leben. Felsnasen schossen hervor und fielen wieder in sich zusammen. Rauchschwaden hüllten den Kreis der Menschen ein und stachen meinem Vater in die Nase, der ein paarmal das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen. Still und bewegungslos verharrten die Aboriginals um das Feuer.
    Plötzlich begann die Luft zu flimmern, und trotz des Feuers wurde es merklich kälter in der Höhle. Der Alte schüttelte sein weißes Haupt. Als ob dies ein Kommando gewesen wäre, begannen sich die Abos noch enger um das Feuer zu scharen, so daß sich Bill auf einmal außerhalb des Kreises befand. Emma bemerkte es und gab einem ihrer Stammesgenossen ein Zeichen, worauf dieser meinen Vater nach vorne in den Kreis zog. Der Alte bewegte sich nun mit schlangenhaften Schritten, ohne sich aus der Hocke aufzurichten, um das Feuer. Bill verfolgte den Tanz des alten Aboriginals, während die anderen im Kreis damit begonnen hatten, sich rhythmisch hin und her zu wiegen und auch er in die Bewegung einbezogen wurde.
    Als sich mein Vater umblickte, sah er die Sterne und einen großen, bleichen Mond. Die Wände der Höhle waren verschwunden. Er konnte das ganze Firmament erkennen. In diesem Moment begannen die Aboriginals mit einem eintönig einschläfernden Gesang. Ohne darauf zu achten, konzentrierte sich Bill ganz auf die Umgebung, während die Abos wie gebannt nur auf den Alten und das Feuer starrten.
    Die Sterne verschwanden. Sie verblaßten nicht, nein sie waren übergangslos weg, und der weite Himmel über dem Feuer schien sich zusammenzuziehen. Durch seine Beine und seinen Hintern, die direkten Kontakt mit dem Boden hatten, glaubte Bill ein Zittern der Erde zu spüren. Gleichzeitig brach das All auseinander. Es verschwand. Die Sonne erschien, tauchte alles in ein gleißendes Licht, aber bevor mein Vater noch die Augen vor der Helligkeit verschließen konnte, herrschte schon wieder absolute Dunkelheit. Eine Dunkelheit, wie sie noch kein Mensch vorher gesehen hatte. Nichts schien mehr zu existieren,

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