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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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schien nachzudenken. Ich wurde ungeduldig, wagte aber nicht, ihn zu drängen. Schließlich nahm er sich noch eine Zigarette aus dem Päckchen, das ich zwischen uns gelegt hatte und begann.
    »Nun gut, du fährst ja morgen früh weiter und wirst wohl kaum ein zweites Mal hierher kommen, deshalb kann ich dir wohl den Rest der Geschichte erzählen. Viel ist es ja nicht mehr. Was passiert ist, nachdem Bugari wieder in Schlaf versunken war, weiß ich nicht genau. Ich erinnere mich nur, daß ich zum Schluß wieder in der Höhle war und die Aboriginals vor Erschöpfung zusammenbrachen, als die Erde ein letztes Mal zitterte. Mir mußte es wohl genauso ergangen sein, doch als ich aufwachte, schien mir die Sonne ins Gesicht. Ich rappelte mich hoch und stellte fest, daß ich mich unter einem Felsüberhang befand. Mein Rucksack war weg, und ich hatte nur noch das, was ich am Körper trug.
    Nach dem Stand der Sonne mußte es früh am Morgen sein. Ich blickte mich um und sah ein Wasserloch, in das ich zuerst einmal stieg, um zu trinken und mich zu waschen. Nachdem ich das hinter mir hatte, schaute ich mich genauer um. Ich wollte mich orientieren. Mich traf fast der Schlag, als mir klar wurde, daß ich mich am Uluru befand. Mitten in der Wüste, die nächste Ansiedlung war wohl hundert Kilometer entfernt, und ich hatte keine Ausrüstung, kein Reittier, gar nichts, um einen Marsch über diese Entfernung bis nach Curtin Springs durchzustehen.
    Du kennst Ayers Rock ja nur als Touristenattraktion, doch vor fünfzig Jahren war dort nichts. Ich konnte natürlich dort bleiben und warten bis jemand vorbeikam, was mitunter Wochen dauern konnte, doch wovon sollte ich mich ernähren? Es beruhigte mich zumindest, daß ich fürs erste genügend Wasser hatte. Dann machte ich mich schließlich daran, den Felsen zu umrunden, in der Hoffnung, Glück zu haben und auf eine Prospektorengruppe zu treffen, die manchmal am Uluru vorbeikamen, um ihre Wasservorräte aufzufüllen. Doch ich kam nicht weit. Schon bald stieß ich auf eine ausgefahrene Sandpiste, der ich um den ganzen Felsen herum folgte und die an einem Parkplatz an der Westseite endete.
    Dort standen Busse und eine Menge von Autos, wie ich sie noch nie vorher gesehen hatte, dazu kam eine Menschenansammlung in sonderbarer Kleidung, die sich alle am Fuß des Känguruhschwanzes versammelten, um den Felsen zu besteigen. Ich erkundigte mich vorsichtig, was das alles sollte, und erfuhr, daß zwischen meinem nächtlichen Weg ins Palm Valley und dem Morgen, an dem ich am Uluru aufwachte, vierzig Jahre vergangen waren.
    Ich habe es schließlich geschafft, nach Alice Springs zu kommen, wo ich feststellte, daß nicht nur die Welt sich in den verlorenen vierzig Jahren ganz erheblich verändert hatte, sondern auch, daß etwas mit mir passiert war. Damals, es ist wirklich schon eine Ewigkeit her, war ich ein Mann von knapp fünfzig Jahren gewesen, doch jetzt sehe ich noch nicht einmal halb so alt aus. Irgendwie bin ich damit fertig geworden, habe angefangen alle möglichen Jobs anzunehmen und eine Zeitlang versucht, meine Geschichte loszuwerden, doch bald merkte ich, daß mir das nur Schwierigkeiten einbrachte.
    Natürlich habe ich so gut wie jeden Stein im Palm Valley umgedreht, doch ohne Erfolg. Ich habe auch Nachforschungen über mein Verschwinden im Jahre 1938 angestellt, aber dabei ist noch weniger herausgekommen. Es war damals nicht ungewöhnlich, daß jemand auf Nimmerwiedersehen im Outback verschwand. Es gab auch keinerlei schriftliche Unterlagen über meinen Aufenthalt in Alice Springs oder Hermansburg.
    Du siehst, meinen Vater gibt es nicht. Oder mich gibt es nicht, ganz wie du willst. Für mich selbst sind aber mein früheres Leben und mein jetziges zwei ganz verschiedene Sachen. Deshalb habe ich mir angewöhnt von meinem Vater zu sprechen, wenn ich etwas aus meinem früheren Leben erzählen muß, weil man einfach nicht damit leben kann ohne davon zu berichten.«
    Ich saß da und wußte nicht, was oder ob ich überhaupt darauf antworten sollte. Aus Verzweiflung griff ich zu meinem Bier und trank die letzte Dose VB leer.
    »Nette Geschichte«, sagte ich schließlich.
    »Du brauchst mir nicht zu glauben«, entgegnete Bill, »denn das erwarte ich gar nicht.« Er stand auf, ging zu dem Felsen hinüber, und erneut plätscherte es lang und ergiebig. Als er zurückkam, setzte er sich nicht wieder hin. Auch ich stand auf, streckte meine steif gewordenen Glieder, und wir gingen stumm auf den hellen

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