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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Schluck aus seiner Bierdose, während ich mich an Hermansburg erinnerte, wie ich es auf unserer Tour kennengelernt hatte: die alte Missionsstation, die jetzt im Zentrum einer Ansiedlung von Wellblechbaracken lag. Es hatte zu diesem Zeitpunkt in Strömen gegossen, die alte Kirche stand in einem riesigen See aus Regenwasser, und wir waren bis zu den Knöcheln in den roten Schlamm eingesunken, in den sich der Wüstensand verwandelt hatte.
    »Obwohl nur gut hundert Kilometer von Alice Springs entfernt, brauchte mein Vater zwei Tage, um nach Hermansburg zu gelangen. Er hatte ein Pferd und einen Packesel gekauft und sich darauf eingerichtet, den Winter draußen in der Wüste zu verbringen. Die Abos in Hermansburg waren ein ganz anderer Menschenschlag, als die heruntergekommenen Säufer in Alice Springs, wie mein Vater bald feststellen mußte. Sie waren kaum bereit, ihm etwas über ihre Geschichte und ihre Geschichten zu erzählen. Erst mit Hilfe eines alten Priesters gelang es ihm, nach und nach das Vertrauen einer jungen Frau zu gewinnen, die in der Missionsstation aushalf und recht gut Englisch sprach.
    Nach zwei Monaten war sie bereit, ihn in ein tief im Busch liegendes Aboriginal-Lager mitzunehmen. Immer wieder mußten sie den Tag verschieben, an dem sie aufbrechen wollten, da gerade in diesem Winter ausgedehnte Regenfälle niedergingen. Schließlich machten sie sich an einem klaren Tag früh morgens zu Fuß auf den Weg, denn die junge Frau, die von den Missionaren Emma genannt wurde, ohne daß man sich um ihren eigentlichen Abo-Namen gekümmert hätte, bestand darauf, daß weder sie noch mein Vater ein Reittier benutzen durften. Kaum waren sie einige Kilometer von Hermansburg entfernt, als Emma zum Erstaunen meines Vaters ihre Kleider auszog und sie in ihr Bündel, das an einem Stirnband befestigt auf ihrem Rücken hing, steckte.
    Sie trug nur noch einen breiten Gürtel, in dem die wenigen Gerätschaften steckten, die ein Aboriginal normalerweise mit sich führte. Am Stand der Sonne, die auf ihrer Bahn gegen Norden kroch, bemerkte mein Vater, daß sie fast genau nach Osten gingen. Wortlos lief die Aboriginal-Frau immer ein paar Schritte vor ihm her, und je höher die Sonne am Zenit aufstieg, desto größer wurden die Schwierigkeiten meines Vaters, ihr zu folgen. Nach drei oder vier Stunden war er schweißdurchnäßt und mußte Emma bitten, eine Pause zu machen.
    ›Gut‹, stimmte sie zu, wobei nicht festzustellen war, ob ihr die Unterbrechung recht war oder nicht. Sie schaute sich nach einem schattigen Platz um, doch in der ausgedörrten Landschaft war außer ein paar Büschen kein Bewuchs zu sehen. Zum Glück war es Mitte Juli, und die Wintersonne stand, obgleich es fast Mittag war, ziemlich tief am Himmel, so daß die niedrigen Büsche einen brauchbaren Schatten warfen, in dem sich die beiden niederließen. Mein Vater schraubte seine Feldflasche auf, trank einen Schluck und bot danach Emma zu trinken an. Doch sie schüttelte nur den Kopf und kaute weiter auf einem dünnen Brotfladen herum, den sie aus ihrem Bündel hervorgezogen hatte. Nachdem mein Vater etwas aus seinem Vorrat gegessen hatte, streckte er sich aus, um ein bißchen zu schlafen, aber Emma stieß ihn sofort an.
    ›Nicht legen. Wir nur rasten und nicht schlafen. Wir müssen noch weit gehen und nur noch wenig Zeit.‹ Dabei deutete sie auf die Sonne, die sich inzwischen auf dem absteigenden Teil ihrer Bahn befand. Mein Vater zog seine Uhr hervor, und der Blick darauf zeigte ihm, daß es schon ein Uhr war und ihnen nicht viel mehr als fünf Stunden Tageslicht blieben.
    Während des Nachmittags fiel es ihm immer schwerer, mit dem regelmäßigen Trab von Emma, die nicht zu ermüden schien, Schritt zu halten. Mehr als einmal mußte sie auf ihn warten, wenn er stehengeblieben war, um einen Schluck zu trinken. Bald brach die Dämmerung herein, die schon bald von einer klaren Nacht abgelöst wurde. Doch dies schien der Aboriginal-Frau nichts auszumachen.
    Emma zauderte nicht ein einziges Mal auf ihrem Weg durch die Büsche, über herumliegende Felsbrocken hinweg und durch die niedrigen Eukalyptuswälder. Mein Vater, der inzwischen gänzlich die Orientierung verloren hatte, stolperte hinter ihr her, und fragte sich, wann diese Irrfahrt ein Ende haben mochte. Er strengte sich an, um den Abstand zu Emma nicht größer als zehn Meter werden zu lassen. Sie war nicht mehr als ein Schatten vor dem sternenklaren Himmel. Doch sie schaute sich jetzt öfter um, um sich

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