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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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bemalt war und sich nur die hellen, rautenförmigen Muster in der Dunkelheit der Nacht abhoben.«
    An dieser Stelle machte Bill eine Pause und griff nach einer neuen Dose Bier, während ich automatisch das Zigarettenpäckchen aus meiner Brusttasche zog und uns beiden eine anzündete. Nachdem er einen großen Schluck genommen und sich, so schien es mir jedenfalls, wachsam umgeblickt hatte, nahm er, den Rauch heftig ausstoßend, seine Erzählung wieder auf.
    »Die beiden Abos führten meinen Vater zuerst durch das Buschland und dann zwischen den Ausläufern der Hügelkette hindurch, wobei die Felswände immer enger zusammentraten. Nach einer Zeitspanne, die schwer zu schätzen war, aber wohl gut eine halbe Stunde ausgemacht hatte, traten die Felsen zurück und gaben den Blick auf ein Tal mit einem Bach frei, an dem hohe Palmen standen, und der aufgrund der heftigen Regenfälle ziemlich angeschwollen war. Palm Valley, fuhr es meinem Vater durch den Kopf und gleich danach wurde ihm klar, daß Emma ihn im Kreis geführt hatte, denn Palm Valley lag nicht mehr als ein paar Kilometer südlich von Hermansburg.
    Nach Einbruch der Dunkelheit mußte ihn Emma in einem weiten Bogen an Hermansburg vorbei Richtung Süden gebracht haben. Mein Vater, er hieß übrigens Bill wie ich, folgte den beiden Abos mit gemischten Gefühlen an dem Wasserlauf entlang, der sich an einer Seite der Felswand, die das Tal begrenzte, entlangschlängelte. Vor meinem Vater hüpften die weißen Streifen der Bemalung der Abos auf und ab und wurden immer blasser. Ein Blick nach oben zeigte ihm, daß die Sterne hinter dichten Wolken verschwunden waren und bald darauf setzte ein leichter Regen ein, der sich zusehends verstärkte. Doch bevor der Wolkenbruch herunterkam, hatte die recht ungewöhnliche Gruppe schon einen etwa zehn Meter über dem Boden befindlichen Felssims erklettert, der den Eingang zu einem weitläufigen Höhlensystem darstellte.
    Hinter dem schmalen Einlaß weitete sich nach kurzer Zeit der Gang zu einer domartigen Höhle, in deren Mitte ein Feuer brannte. Unsicher, wie er sich verhalten sollte, blieb Bill am Rande des Feuerscheins stehen, während Emma und Tana Waita in einen Kreis aus hockenden, in gleicher Weise bemalten Männern und Frauen traten. Es entspann sich ein mit ruhigen Worten geführtes Gespräch, im Verlauf dessen Emma mehrmals auf meinen Vater deutete und ihn näher ans Feuer winkte. Bill ging mit unsicheren Schritten so weit nach vorne, daß er direkt hinter den Rücken der um das Feuer sitzenden Aboriginals stand. Wieder redete Emma auf einen alten, weißbärtigen Eingeborenen ein, und Bill glaubte ein paar Aboriginalworte wiederzuerkennen, die er inzwischen in Hermansburg gelernt hatte. Besonders oft fiel der Begriff Traumzeit, bei dem der Alte jedesmal die Handflächen nach außen kehrte und ohne seine hockende Stellung zu verändern mit einem Fuß auf den Boden stampfte. Schließlich kam Emma aus dem Kreis heraus auf Bill zu und erklärte ihm in ihrem gebrochenen Englisch, daß die hier Versammelten auf Bugari warten würden, der in dieser Nacht aus der Erde stiege, weil seine unterirdische Wohnung durch den heftigen Regen überschwemmt würde.
    Wenn Bugari seine Wohnung verläßt, dann endet die Traumzeit. Dann wacht der Weltenschöpfer auf und niemand weiß, was dann passieren wird. Er würde ein Stück der Lalai zurückbringen, jener Zeit, in der er wach war und in der nichts existierte, denn die ganze Welt wurde von ihm nur geträumt.
    Mein Vater fragte Emma, wer Bugari denn sei, ob er der Gott der Abos wäre, ob sie ihn hier anbeten würden, oder ob er käme, um zu strafen, worauf sie versuchte, ihm die Zusammenhänge begreiflich zu machen, aber ihr Englisch reichte immer weniger aus, die Dinge zu erklären, je länger sie sprach und je komplizierter es wurde. Sie mußte mehr und mehr auf Worte ihrer Sprache zurückgreifen, die Bill nicht verstand. Nur soviel wurde ihm klar, die Abos hatten keine Angst in der Weise, wie ein Christ sich vor dem Teufel fürchtete, sie waren lediglich davon überzeugt, daß die Welt aus den Fugen geraten würde, wenn Bugari aufhören würde zu träumen und an die Oberfläche käme.
    Bugari ist der Gott, der die Welt träumt, und niemand weiß, was passieren wird, wenn man diesen Traum unterbricht, gar nicht davon zu reden, daß Bugari vielleicht nicht mehr einschlafen könnte. Deshalb waren sie hier, sie wollten Bugari wieder in den Schlaf singen, wenn er zu erwachen drohte, damit die

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