Wassermans Roboter
recht entsinne, waren wir ziemlich nervös.« Ich fühlte mich ein wenig verlegen, denn ich hatte fast alles vergessen, was Celeste anging. »Hast du nicht einmal die Tarot-Karten für mich gelegt?«
Sie nickte. »Das war am letzten Abend des Seminars. Die Karten meinten, das Schreiben würde dich glücklich machen, und du hieltest das für einen Witz.« Sie nahm die Kirsche aus ihrem Glas. »Ein Skeptiker, durch und durch.« Sie knabberte daran. »Du glaubst nicht an Magie, oder?«
»Nein, das kann ich nicht von mir behaupten.«
»Manchmal aber machst du sie zum dramaturgischen Bestandteil deiner Werke.«
»Die gehört zum Inventar unseres Genres. Die Leser akzeptieren sie, ohne deswegen gleich daran zu glauben.«
»Ich habe einige Dinge gesehen, bei denen es dir kalt über den Rücken liefe. Tief im Dschungel, hoch im Altiplano. Dort sind viele der herkömmlichen Gesetze nicht mehr wirksam. Weißt du, die Gesetze des Staates und der Wissenschaft sind miteinander verbunden, hängen in gewisser Weise voneinander ab. Wenn die einen nicht mehr gültig sind, so lassen sich auch die anderen nicht länger anwenden.« Ich schätze, ich muß sie groß angestarrt haben, und das bemerkte Celeste. »Aber das glaubst du nicht«, fügte sie hinzu und schob sich den Rest der Kirsche in den Mund.
»Nein, eigentlich nicht. Andererseits: Ich bin nie im Dschungel gewesen. Ich schätze, ich sollte versuchen, allen Dingen gegenüber offen zu bleiben.«
»Ein guter Vorsatz, an den du dich jedoch nicht hältst.« Und dann lachte Celeste, und ich fiel in ihr Lachen ein. Wenn sie sich Mühe gab, konnte sie recht charmant sein. Eine Zeitlang sprachen wir über das Leben eines Schriftstellers. Celeste erkundigte sich danach, wieviel Geld ich für die Sachen bekommen hätte, die sie kannte, und als ich es sagte, wollte sie es nicht glauben. »Aber davon kannst du unmöglich leben. Du müßtest vierzig oder fünfzig Geschichten pro Jahr schreiben.«
»Was einer der Gründe ist, warum man sich nach und nach Romanen zuwendet«, erwiderte ich. »Aber ich bin trotzdem recht gut dran: Ich habe eine verständnisvolle Frau, die arbeitet.«
Celeste nickte nur. »Was hieltest du davon, wenn dir jemand doppelt soviel bezahlte? Zum Beispiel als Auftragshonorar für das Schreiben einer ganz bestimmten Story?«
»Wieso fragst du? Willst du groß ins Geschäft einsteigen? Mit einem Magazin namens Celeste Monteros Spannende und Wahre Magische Geschichten?«
»Vielleicht gibt es Leute, die gern eine Story verkaufen würden.«
Ich klopfte ihr auf die Hand. »Kessel wird bestimmt eifersüchtig, wenn ich mir eine Co-Autorin suche.«
»Und was ist mit deiner verständnisvollen Frau?«
»Barbara vertraut ganz meinem gesunden Menschenverstand.« Ich dachte, sie flirtete nur. »Zumindest solange es um literarische Dinge geht.«
Celeste nickte. »Nun, ich hatte ohnehin keine Zusammenarbeit im Sinn. Schreib die Geschichte ganz nach deinem Belieben. Gib dir Mühe. Und anschließend kannst du sie verkaufen und das Geld dafür behalten. Du mußt nur auf bestimmte Personen und Orte zurückgreifen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das gefällt mir nicht. Zuerst einmal kommt es mir darauf an, eine emotionale Verbindung mit meinen Protagonisten herzustellen. Das ist die Basis für alles andere.«
Die Kellnerin kehrte zurück. Celeste bestellte eine Cola mit Rum und entschuldigte sich anschließend. Sie blieb recht lange weg. Die Cola wurde gebracht. Ich trank ihren Manhattan aus. Schließlich trat Celeste wieder an den Tisch, setzte sich und begann damit, von sich zu erzählen. Ihr Vortrag nahm überhaupt kein Ende.
Sie hatte für einen Reiseunternehmer gearbeitet, der auf Ausflüge in die Anden spezialisiert gewesen war. Die größten Hits der Inkas, so nannte sie es: Titicaca, Cuzco, Machu Picchu. Im Jahre 1980 geriet die Gesellschaft in Schwierigkeiten – ein Flugzeugabsturz, der Militärputsch in Bolivien, Liquiditätsprobleme in den Staaten – und beantragte die gesetzlich eingeräumte Reorganisationsfrist. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter wurde entlassen, doch Celeste hatte Glück und konnte bleiben. Sie meinte, das hätte sie nur dem Umstand zu verdanken gehabt, weil sie mit dem Direktor geschlafen habe, einem eingebürgerten Bolivianer namens Alfonso Gonzales, der sich gerne »Fonz« nannte. Allerdings waren damit die ruhigen Tage vorbei, während denen Celeste in einem klimatisierten Büro sitzen und Pressemitteilungen schreiben konnte. Fonz
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