Wassermans Roboter
flog nach La Paz, um den südamerikanischen Zweig seines Unternehmens zu retten, und er nahm Celeste als seine »Chefsekretärin« mit. Zwei Jahre später tauchte Fonz unter, und Celeste machte sich als Reiseberaterin selbständig. »Ich verdiente mir meinen Lebensunterhalt damit«, erklärte sie, »indem ich einfallslosen Leuten Ideen für pseudeabenteuerliche Ferien vermittelte.«
Sie plauderte so offen über ihr Privatleben, daß ein anderer Mann sicher schockiert gewesen wäre. Was Fonz anging, so erzählte sie mir zweifellos mehr, als ich überhaupt wissen wollte. Sie berichtete, er habe sie immer wieder gebeten, ihm die Fußnägel zu schneiden, weil er zu faul war, sich über seinen Bauch zu beugen. Sie schilderte, wie pikiert er war, wenn sich in seinem schwarzen Haar graue Strähnen zeigten. Und sie ließ nicht einmal aus, wie er im Bett sang, wenn sie es miteinander trieben. Offenbar war es ihr völlig egal, daß sie mich auf diese Weise mit den intimsten Einzelheiten ihres Lebens vertraut machte, und nach dem dritten Manhattan scherte ich mich ebenfalls nicht mehr darum. Nur einmal schien sie zu bemerken, wie lange sie schon auf mich einredete, und sie hielt kurz inne, um mir Gelegenheit zu geben, über meine Frau Barbara und unsere kleine Tochter Maura zu sprechen. Mit knappen Worten beschrieb ich ihr unser Gewächshaus und gab ihr zu verstehen, ich sei ein sehr häuslicher Ehemann. Eine ziemlich gewöhnliche Konversation. Aber abgesehen von der Arbeit ist meine tägliche Routine nicht besonders aufregend. Ich erzählte Celeste, daß ich unter anderem Ananas anpflanzte, und ich fügte mich in mein Schicksal, als sie diese Gelegenheit nutzte, um sich an die Früchte im tropischen Regenwald des Tieflandes im Bereich der östlichen Kordilleren zu erinnern: bizarr anmutende, orangefarbene und grüne Gebilde, die aussahen wie Kerzen und blühende Deckblätter in blassem Rot aufwiesen. Und anschließend setzte sich ihr Wortschwall fort.
Während ihres Monologes sah Celeste dauernd zur Tür. Ich entspannte mich immer mehr – die Manhattans waren nicht ganz unschuldig daran –, doch die Frau mir gegenüber schien immer unruhiger zu werden. Dann und wann unterbrach sie sich, wenn jemand die Bar betrat, und bei solchen Gelegenheiten nahm sie sich einige Sekunden Zeit, um den Neuankömmling zu mustern. Ich fragte sie erneut, ob sie jemanden erwarte. »Jemanden, der so etwas trägt.« Sie deutete auf die bunte Feder, die in ihrem Hutband steckte. »Einen Geschäftspartner.« Dann wandte sie sich einem anderen Thema zu und erkundigte sich nach den alten Bekannten vom Clarion. Ich erzählte ihr das, was ich von ihnen wußte, und Celeste beschäftigte sich unterdessen damit, die Papierserviette ebenso kunstvoll wie nervös zusammenzufalten und anschließend in den Aschenbecher zu legen. Als ich auf Sterling und die Cyberpunks zu sprechen kam, konnte Celeste kaum mehr stillsitzen.
Etwa zu jenem Zeitpunkt sah ich auf die Uhr. Ich hatte versprochen, mit einigen Leuten zu Abend zu essen.
Ich sagte ihr, ich wolle später an einer bestimmten Room-Party teilnehmen, und Celeste meinte, wahrscheinlich sei sie ebenfalls zugegen, doch ob ich ihr nicht sicherheitshalber meine Adresse geben könne? Als ich sie nach der ihren fragte, lachte sie nur und antwortete, sie ziehe ständig um, und ich könne sie ihren Briefen entnehmen. Als wir uns verabschiedeten, hielt ich Celeste zwar für reichlich überspannt, aber noch immer ganz nett. Vielleicht war Nostalgie an dieser Einschätzung schuld – möglicherweise auch die Drinks.
Celeste tauchte nicht bei der Party auf. Gegen Mitternacht hing ich völlig erledigt in einem bequemen Sessel, nippte an lauwarmem Kaffee und versuchte, mich aus einer Diskussion herauszuhalten, bei der es um die Hugo-Verleihung des vergangenen Jahres ging. Kessel meinte, ich sähe aus wie ein Zombie. Ich war nicht etwa betrunken – seit dem Abendessen hatte ich mir keinen Manhattan mehr genehmigt. Ich konnte nur nicht mehr den Con ertragen und wünschte mir, nach Hause zurückkehren zu können. Ich entschuldigte mich, begab mich in mein Zimmer und ging schlafen. Zwei Stunden später klingelte das Telefon.
»Ja?«
»Hast du geschlafen?«
»Ich denke schon.«
»Ich bin’s«, sagte Celeste. »Ich muß zu dir kommen.«
»Du mußt?« Ich wollte ihr das ausreden, aber sie legte auf. Ich hatte schon Hose und Hemd an, als ich bemerkte, daß ich die Unterwäsche vergessen hatte. Mit dem Fuß schob ich
Weitere Kostenlose Bücher