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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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vermutlich als Verbrechen, sich um halb drei nachmittags mit einem so erlesenen Wein zu betrinken, aber zum Glück waren wir nicht in Frankreich.
    »Führst du ein Tagebuch?« fragte ich. »Hast du irgendwelche Aufzeichnungen über deine Aktivitäten?«
    »Bei meinem Job? Machst du Witze?«
    »Ich meine, du hast doch bestimmt viele Dinge gesehen …«
    »Und die meisten davon würde ich lieber vergessen.«
    »Nun, in gewisser Weise beneide ich dich um deine Abenteuer.« Ich schwenkte das Glas hin und her und betrachtete die darin schwimmende zinnoberrote Flüssigkeit. »Hier ist es immer ruhig. Nie geschieht was.«
    »Dann bist du gut dran. Außerdem möchte ich gar nicht, daß du über das Leben schreibst, das ich wirklich gelebt habe. Laß dir irgend etwas Zauberhaftes und Schönes einfallen, möglicherweise mit einem Happy End. Ja, in der Art eines Märchens.«
    »Kommt nicht in Frage.« Ich trank aus. Der in der Kanne verbliebene Wein reichte kaum mehr für ein Glas.
    »Na schön. Dann mach eben eine SF-Geschichte davon, voller Computer und kristallener Datentische. Aber bitte verzichte auf Moskitos und Piranhas.«
    »Auch auf Drogen?« Ich zuckte die Achseln und griff nach der Kanne.
    »Tust du mir einen Gefallen?« Celeste griff nach meiner Hand. »Ich würde die letzten Tropfen gern mit dir zusammen genießen.« Ich lehnte mich auf der Couch zurück und beobachtete, wie sie einen Gegenstand aus ihrer Tasche holte, der in ein Holiday Inn-Handtuch gehüllt war. Es handelte sich um einen Becher aus mattem Silber, gut zehn Zentimeter hoch und dem Kopf eines Pumas nachempfunden. Deutlich waren die Metallkonturen von Augen, Ohren und der Schnauze zu erkennen. Weiter unten sah ich ein geometrisches Muster aus Drei- und Rechtecken. Die meisten Edelsteine der Schmuckverzierungen fehlten.
    »Was ist das?« fragte ich. »Der Heilige Gral?«
    »Ein Huaca – und damit tatsächlich ein heiliges Objekt. Er stammt aus einem Inka-Grab.« Celeste reichte mir den Becher.
    »Sollte er nicht in einer Vitrine im Museum stehen?«
    »Sicher findet er dort einmal einen Platz. Trinkst du mit mir daraus?«
    »Ich glaube, du könntest die Justiz auf Jahre hinaus beschäftigen.« Ich beschnupperte das Innere. »Hast du was dagegen, wenn ich ihn zunächst auswasche?«
    Celeste lachte. »Nur zu, Hüter der Hygiene«, sagte sie.
    Ich hielt ihn unter warmes Wasser und trocknete ihn anschließend mit einem Papier-Taschentuch. Etwas von dem schwarzen Belag im Innern bröckelte ab, aber nicht besonders viel. Dann stellte ich den Becher neben die Kanne und nahm wieder auf dem Rande der Couch Platz. »Hokuspokus.«
    »Möchtest du irgendeinen Wunsch aussprechen?« Scherzhaft vollführte Celeste eine magische Geste. »Jetzt hast du Gelegenheit dazu.« So selbstsicher war sie, daß sie sich nichts aus meiner Skepsis machte.
    Ich schenkte den restlichen Wein ein. »Ich möchte nur weiterhin gut arbeiten.« Ich sagte irgend etwas, um nicht zu schweigen, nahm einen kurzen Schluck und reichte ihr den Becher.
    »Auf das Glück!« Sie leerte ihn in einem Zug und blickte auf die Uhr. »Jetzt muß ich gehen.« Sie wickelte den Huaca wieder ein und griff nach ihrer Tasche. »Ich schicke dir meine Adresse – wenn ich eine habe.« Wir schüttelten uns die Hände, und dann war Celeste fort.
     
    Etwa um halb neun an jenem Abend klingelte es an der Tür. Ich machte auf und sah zwei Durham-Polizisten vor unserem Hauseingang stehen. Mich hätte fast der Schlag getroffen.
    »Mr. Kelly?«
    »Ja.«
    »Kennen Sie eine Frau namens Celeste Montero?«
    Sie blieben ungefähr eine halbe Stunde. Sie sprachen nicht viel, aber ich erfuhr unter anderem, daß Celeste unter sehr verdächtigen Umständen aus der Pension verschwunden war. Sie wollten wissen, wo ich zwischen fünf und sechs gewesen sei, und ich antwortete, ich hätte mir Musik angehört und das Abendessen vorbereitet. Anschließend fragten sie, ob jemand diese Angaben bestätigen könne, und Barbara erwiderte, sie sei um zwanzig nach fünf nach Hause gekommen. Ich wies darauf hin, daß Maura oben in ihrem Zimmer gewesen sei und sich die neueste Folge von Professor Wurz und die sieben Weltraum-Zwerge angesehen habe. So höflich waren die beiden Polizisten, daß sie dadurch schon unheimlich wirkten. Ich erklärte, Celeste sei eine alte Bekannte von mir, gestand ihren Besuch am Nachmittag und fügte hinzu, wir dächten daran, zusammen eine Geschichte zu schreiben. Sie habe überhaupt nicht nervös gewirkt, meinte

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