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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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rund zweitausend Worten. Bis dahin hatte ich noch nie so kurze Geschichten geschrieben. Allein das wäre ein echter Durchbruch für mich gewesen. Und außerdem war jene Story gut, wirklich gut. Sicher, der Text enthielt zu viele »dre« und »wiel«, und der Name der Protagonistin lautete einmal »Cheryl« und dann wieder »Celeste.« Darüber hinaus stieß ich auf eine Stelle, an der ich den Hinweis »Inka-Informationen einfügen« las. Doch es war eigentlich überhaupt kein Hintergrundmaterial erforderlich, und die Fehler ließen sich mit Hilfe eines guten Korrekturprogramms und einigen Stunden konzentrierten Redigierens berichtigen. Mit anderen Worten: Die Geschichte war zu fünfundneunzig Prozent fertig, und bestimmt würden einige Kritikerstimmen behaupten, es sei meine beste. Gewiß wäre Celeste sehr zufrieden gewesen.
    Ich jedoch war entsetzt. Ich kenne einige Autoren, die betrunken schreiben. Gute Schriftsteller, die einen Berg aus leeren Flaschen bis fast zum Gipfel erklommen und dort eine Zeitlang die Stellung behaupten konnten – bis sie an Leberzirrhose starben oder nüchtern wurden und feststellten, den Faden verloren zu haben. Ich aber trinke nicht während des Schreibens, niemals. Aber darin bestand auch nicht das eigentliche Problem. Es spielte keine Rolle, was mich inspiriert hatte – Kummer um eine verlorene Freundin, Canadian Club oder Inka-Magie. Ich hätte niemals »von James Patrick Kelly« hinter den Titel schreiben können, denn ich erinnerte mich nicht daran, die Story verfaßt zu haben. Einige Autoren mögen von sich behaupten, daß ihnen gar nichts am Schreiben liegt, daß es ihnen nur darauf ankommt, geschrieben zu haben. Wenn ich mich recht entsinne, war ich ebenfalls einmal dieser Meinung, doch bis zu jenem Morgen fehlte es mir an einer Gelegenheit, eingehend darüber nachzudenken. Es ist das Schreiben, das mich glücklich macht, die tägliche Bewältigung kleiner Aufregungen, aus denen das Abenteuer meines Lebens besteht. Wäre ich dazu bereit gewesen, jene Story für mich zu beanspruchen, so hätte ich alle meine bisherigen Leistungen verraten.
    Es tut mir leid, Celeste. Ich habe die Datei gelöscht. Mein bestes Werk steht dir nicht zu.
     
    Originaltitel: »Daemon«
    Copyright © 1987 by James Patrick Kelly
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Andreas Brandhorst
    Illustriert von Jobst Teltschik

 
Wladimir Scherbakow
Ein beschwingter Morgen
     
    BEGEGNUNG
     
    Hervortauchend aus dem Weltraum, der keine Grenzen kennt, strahlte das Schiff wie ein Komet. Dabei erschien der Lauf des neu geborenen Himmelskörpers über das Firmament gar nicht so schnell, obgleich kein Stern auf einer derart schwindelerregenden Umlaufbahn dahinraste.
    Mit einem Schwarm von Asteroiden zog es vorbei an Planeten, näherte sich ihnen und entfernte sich wieder, badend im Morgenrot unzähliger Sonnen, die sich sodann in weißen Staub verwandelten. Kometenschwänze dienten ihm als Leuchtfeuer bei seinen ungestümen Sprüngen von Planet zu Planet. Dann verschwand das Schiff, untertauchend wie ein Delphin, und ließ sich, bereits unsichtbar, blitzartig in andere Regionen tragen. Dabei glich es einer plötzlich aus der Krone einer asterischen Blume auftauchenden Biene. Nach jedem Umlauf blieben in seinen geräumigen Behältern Teilchen fremden Lebens zurück, die so vorsichtig gesammelt wurden, daß es dadurch einer Nektar jagenden Biene zweifellos noch verwandter wurde. So entstand die Sammlung des kosmischen Museums des Schiffes: seine Exponate waren bestimmt für das Planetensystem eines Doppelsterns in einem uns benachbarten Sektor der Galaxis.
    In einem runden Saal konnte man sich auf dem Stereobildschirm alle in langen Jahren gesammelten Schätze ansehen. Sie ihrem Wert nach beurteilen, konnten nur Eingeweihte. Es gab eine millionstel Chance, daß es künftigen Raumfahrern gelingen würde, einen kosmischen Drachen zumindest zu photographieren, dessen schuppige Flügel Strahlen einfangen wie Segel den Wind. Im Allerheiligsten des Schiffes – in seinem Depot – schlummerte, die brennenden Augenlichter von schweren bronzefarbenen Lidern verdeckt, friedlich eine kosmische Rarität, die selbst auf einem gewöhnlichen Farbphoto mit nichts und niemandem zu verwechseln war. Auch der Schmetterling Kermnis, der sich ausgiebig in der Nähe der grünen Sterne wärmt, bevor er in die Weiten der ewigen Nacht hinausfliegt, harrte hier dem Ende der Reise.
    Sie waren echte Doppelgänger von ephemeren Wesen, denen man so

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