Wassermans Roboter
und hielt es für besser, den Verführungsversuch Celestes nicht zu erwähnen. Dafür zeigte ich ihr den Scheck. Barbara fragte, ob ich bereits die Möglichkeit erwogen hätte, ihn der Polizei zu übergeben. Ich meinte, das läge nicht in meiner Absicht: Ich wolle mir nicht wie ein Denunziant vorkommen. »Bestimmt kommt sie irgendwann, um nach ihrer Story zu fragen«, fügte ich hinzu. »Dann gebe ich ihr den Scheck zurück.« Barbara machte ein skeptisches Gesicht. »Sei vorsichtig!« sagte sie. Ich versprach, mich an ihren Rat zu halten, versicherte ihr, wie sehr ich sie liebte, und ließ das Thema fallen.
An einem Nachmittag etwa drei Wochen später klingelte das Telefon. »Schon fertig?« fragte Celeste.
»Wo bist du?«
»Habe ein Zimmer in der Pension auf der anderen Straßenseite gemietet.«
»Dann komm rüber! Wir müssen über etwas sprechen.«
»Jetzt sofort? Was ist mit Frau und Kind?«
»Barbara arbeitet. Und Maura kommt nicht vor halb vier nach Hause zurück. Bis dahin bist du längst wieder weg.«
»Du willst doch wohl nicht etwa mit dem Schreiben aufhören, oder?«
»Ich habe gar nicht erst mal angefangen«, erwiderte ich und legte auf.
Ich hatte vor, einfach nur die Tür zu öffnen, den Scheck zurückzugeben und ihr Lebewohl zu sagen. Aber das klappte nicht ganz. Sie wies mich darauf hin, das Zimmer, in dem sie sich einquartiert hatte, sei nur einige hundert Meter entfernt, und außerdem habe sie von dort aus einen guten Blick auf mein Haus. Sie fügte hinzu, sie könne es sich leisten, so lange zu bleiben, bis sie bekäme, was sie wolle. Ich sagte ihr, ich würde der Polizei Bescheid geben. Und Celeste antwortete, das traue sie mir nicht zu. Ich ließ sie eintreten.
Sie trug eine Einkaufstüte bei sich, die sie auf den Tresen in der Küche stellte. »Hältst du was von gutem Wein?« fragte sie. »Siehst mir ganz danach aus.«
Ich schob ihr den Scheck zu. »Zuerst einmal: Ich habe gar keine Zeit fürs Schreiben deiner Geschichte. Jim Frenkel erinnert mich dauernd an den Ablieferungstermin für den neuen Roman, und im Anschluß daran warten noch einige andere Projekte auf mich.«
Celeste zog eine Flasche aus dem Beutel und hielt sie so, daß ich das Etikett sehen konnte. »Chateau Haut-Brion, 1966.«
»Zweitens: Ich komme für so etwas überhaupt nicht in Frage. Ich schreibe ganz andere Dinge, Celeste. Du solltest dich an Leute wie Lucius Shepard oder Borges wenden.«
»Borges ist tot, und den Namen Lucius Shepard höre ich jetzt zum erstenmal.« Sie zog eine Schublade auf. »Dich aber kenne ich.«
»Drittens: Ich brauche das Geld nicht, und selbst wenn das der Fall wäre: Ich würde es nicht nehmen. Es ist schmutzig – und außerdem viel zuviel.«
Celeste zuckte die Achseln. »Du unterschätzt deine Qualitäten als Schriftsteller.«
»Himmel, wie kann man dich nur zur Einsicht bringen?«
»Ich werde mich erst dann einsichtig zeigen, wenn du ›ja‹ gesagt hast.«
Ich zerriß den Scheck in zwei Hälften. Celeste griff nach der einen und zerfetzte sie. »Dann schicke ich dir das Geld eben per Postanweisung«, sagte sie. »Wie kriege ich diese Flasche auf?«
»Damit.« Der Korkenzieher hing an einem Gestell mit Weingläsern und war nicht zu übersehen. »Wenn ich den Auftrag annehme, so nur zu meinen eigenen Bedingungen.« Ich war selbst überrascht, als ich diese Worte aussprach. »Ich verspreche dir, mich irgendwann an die Arbeit zu machen – aber erst dann, wenn ich das richtige Gefühl dafür habe. Ich muß eine innere Beziehung zu dem entwickeln, was ich schreibe.«
»Ich erkläre dir alles.«
»Nein. Irgendwann. Nicht morgen, nicht übermorgen, und vermutlich auch nicht in der nächsten Woche. Gedulde dich! Und ich lege weder Wert auf dein Geld noch weitere Besuche. Abgemacht?« Ich streckte die Hand aus. »Na?«
Celeste dachte kurz nach. »In Ordnung.« Sie schlug ein. »Trinken wir einen darauf?« Sie wollte einschenken.
»Nein, so nicht – der Wein hat bereits einen Satz gebildet.« Ich warf einen kurzen Blick auf die Küchenuhr: noch Zeit genug. »Man muß ihn zuerst dekantieren, ihn atmen lassen.«
Da sie jetzt bekommen hatte, was sie wollte, war Celeste sehr höflich, fast unterwürfig. Sie bewunderte meine Pflanzensammlung und stellte in Hinsicht auf unser Treibhaus genau die richtigen Fragen. Anschließend begaben wir uns ins Wohnzimmer, und in einem Fachbuch sah ich unter »Haut-Brion« nach. Der 1966er war ein ausgezeichneter Jahrgang. In Bordeaux gilt es
Weitere Kostenlose Bücher