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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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ich, sondern im Gegenteil heiter und gelöst. Ja, es sei ihr direkt prächtig gegangen. Prächtig. Vielleicht wäre es Barbara lieber gewesen, wenn ich von den Koks-Beziehungen Celestes berichtet hätte, aber sie kam nicht darauf zu sprechen, und ich verschwieg sie ebenfalls. Als die Polizisten gingen, meinten sie noch, wahrscheinlich sei überhaupt nichts geschehen, und ich sollte mir keine Sorgen machen. Sie fügten hinzu, sie kämen gegebenenfalls auf mich zurück.
    Zu jenem Zeitpunkt hatten Barbara und ich bereits eine Heidenangst. Ich spiele Tennis mit einem der Miteigentümer der kleinen Pension, und ich rief ihn an. Zuerst beklagte er die allgemeine Hektik der Entwicklung und meinte, er sei noch immer völlig durcheinander. Die Gäste, so erzählte er, packten gerade ihre Sachen und verlangten das Geld zurück. Schließlich überredete ich ihn dazu, mir alle Einzelheiten zu verraten – wobei sich herausstellte, daß er eigentlich gar nicht so viel wußte. Gegen Viertel nach fünf hatten zwei Männer nach Celeste gefragt. Mein Bekannter bezeichnete sie als Puertoricaner, doch immerhin kennt er die Regionen südlich von New Jersey nur aus dem Atlas. Celeste empfing sie im Aufenthaltsraum, und anschließend suchten sie ihr Zimmer auf. Etwa um sechs betrat jemand das Gemeinschaftsbad und bemerkte einige krakelige Zeichen, mit Seife auf den Spiegel geschrieben: »Hilfe Zm 4.« Man klopfte an die Tür. Nichts rührte sich. Man trat ein und stieß auf ein Trümmerfeld. Koffer und Handtasche Celestes waren entleert, und überall lagen ihre Sachen verstreut, darunter auch die Ausgabe von The Magazine of Fantasy & Science Fiction, auf dessen Titelblatt mein Name stand. Ein kleiner Blutfleck zeigte sich auf dem Laken, und daneben lagen einige schillernde und rötlichgelbe Federn.
    Barbara und ich blieben lange auf und sprachen nervös darüber, was wir unternehmen sollten. Etwa gegen Mitternacht fiel mir der auf der anderen Straßenseite geparkte Polizeiwagen auf. Da fühlte sich meine Frau sicher genug, um schlafenzugehen. Ich verharrte im Wohnzimmer, machte mir einen Manhattan und sah mir einen kitschigen Film an. Ich gönnte mir einen weiteren Drink und anschließend noch zwei. Ich glaube, irgendwann habe ich geschluchzt. Inzwischen war es zu spät, Celeste zu helfen – wenn ich überhaupt jemals dazu in der Lage gewesen war. Beim fünften Glas erinnerte ich mich daran, daß ich ihr gar nicht hatte helfen wollen; ich war einzig und allein bestrebt gewesen, sie so schnell wie möglich loszuwerden. Ich trank, weil ich wütend auf mich selbst war, aber mein Verdruß hielt nicht lange an. Ich war so weggetreten, daß ich nicht einmal mehr erkennen konnte, wie spät es war, als ich auf die Küchenuhr sah. Irgendwie hatte es Celeste geschafft, den Säufer in mir zu wecken. Ich weiß noch, wie ich die Treppe hochstieg und glaubte, auf dem Weg ins Schlafzimmer zu sein. Die Stufen erschienen mir so glatt wie Eis, und das Treppengeländer wand sich wie eine Schlange hin und her.
     
    Ich erwachte auf der Couch, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung, wie ich ins Wohnzimmer zurückgekommen war. Niemals zuvor in meinem Leben war durch Zecherei eine Lücke in meinem Gedächtnis entstanden. Des öfteren hat der Alkohol einen Narren aus mir gemacht, aber in solchen Fällen erinnere ich mich wenigstens daran, wie lächerlich ich mich aufgeführt habe. Mindestens zehn Minuten lang blieb ich auf der Couch liegen und versuchte mit wachsender Verzweiflung, mich zu entsinnen, was nach dem Ersteigen der Treppe geschehen war. Nichts. Nur Leere. Von einem Augenblick zum anderen wurde mir eiskalt, und ich schwor feierlich, nie wieder einen Tropfen anzurühren. Barbara kam herunter, schon für die Arbeit gekleidet. Ich trank eine Tasse Tee mit ihr zusammen. Wir sprachen nicht miteinander. Morgens ist meine Frau immer sehr schweigsam, und mir brummte zu sehr der Schädel. Kurz darauf kam Maura in die Küche, bereit für die Schule. Ein ganz normaler Morgen – abgesehen von dem Umstand, daß Papi so früh auf den Beinen war. Sie gaben mir beide einen Kuß, und pünktlich um acht gingen sie aus dem Haus.

    Ich duschte, zog mich an und fragte mich, ob ich ein Nickerchen machen sollte. Aber offenbar hatte ich irgendeine Vorahnung, denn ich begab mich in mein Arbeitszimmer, schaltete den Computer ein und rief das Inhaltsverzeichnis der aktuellen Diskette ab. Sie enthielt eine Datei, die ich gar nicht kannte: »CSTORY.«
    Die Größe entsprach nur

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