Wassermans Roboter
ein Geräusch, das wie der Pulsschlag der Welt klang – ein ganz langsames und dumpfes Pochen. Don Emilio sang, und seine Stimme wurde immer leiser, so als entferne er sich von mir, und kurz darauf hatte ich die Vision. Ich befand mich in meinem Zimmer, im Hause meiner Eltern in Lansing; gleichzeitig allerdings hielt ich mich auch in der Hütte auf, nahm den Gestank Don Emilios wahr und beobachtete, wie sich Fonz am Sack kratzte. Ich war sowohl an dem einen als auch dem anderen Ort. Ich sah ein Zeichenbrett mit der halb fertiggestellten Konstruktionsskizze eines Hauses, und daneben stand eine Schreibmaschine mit einem eingespannten Blatt Papier. Ich las den einen Satz darauf. Er lautete: ›Ihr einziger Wunsch bestand nur darin, glücklich zu sein.‹ Dann rief mich meine Mutter und fragte, ob ich fertig sei. Aber ich war nicht fertig, wurde es nie. Und dann … dann schloß sich etwas Seltsames an. Ich sah einen Mann in der Hütte, gekleidet in ein Pumafell, ja ein rötlich-braunes Fell. Ich erinnere mich noch an grüne Glasaugen, und der Kopf des Mannes steckte im Schädel des Pumas. Und auch an dem anderen Ort begegnete mir der Puma-Mann; er kletterte durchs Fenster, setzte sich und hämmerte auf die Tasten der Schreibmaschine. Er schrieb so schnell, daß die Seiten wie weiße Vögel von der Walze flogen, und sie flatterten zur Decke empor, ein Schwarm aus Schreibmaschinenblättern mit herrlichen schwarzen. Schwingenzeichen, und ich fühlte mich glücklich, während ich sie beobachtete, denn ich wußte, daß sie meinem Innern entsprachen, so waren, wie ich sein wollte. Als er fertig war, streckte der Puma-Mann die Hände aus, und die Blatt-Vögel sausten zu ihm herab, und er heftete sie aufs Zeichenbrett, und sie wurden zu einem Magazin, auf dessen Titelblatt sich ein Raumschiff zeigte, und da wußte ich, daß es um SF ging. Damit endete die Vision, und anschließend hatte ich einen solchen Katzenjammer wie noch nie zuvor in meinem Leben. Später bat ich Don Emilio um eine Erklärung, aber Fonz war weggetreten und konnte nicht übersetzen. So fragte ich den Don Emilio auf spanisch, ob es sich um eine wahre Vision handelte, und er meinte, ich müsse sie wahr werden lassen – jedenfalls glaubte ich, seine Antwort auf diese Weise interpretieren zu können, denn mit seinem Spanisch war nicht viel los. Aber ich war entschlossen, mich an seinen Rat zu halten. Und nach der Behandlung hatte Fonz keine Beschwerden mehr mit seinem Rücken. Allerdings konnte er sich nicht sonderlich lange an seiner Gesundheit erfreuen, denn acht Monate später wurde er zum Leckerbissen der Piranhas. Also: Bist du bereit, meine Geschichte zu schreiben, sie an ein Magazin zu verkaufen, das Raumschiffabbildungen für die Titelbilder wählt, und auf diese Weise für mein Glück zu sorgen?«
Ich dachte schon, sie würde stundenlang so weiterreden, ohne jemals Luft zu holen, und als sie plötzlich schwieg, wußte ich nicht, was ich erwidern sollte. »Weißt du eigentlich, daß du verrückt bist? Vollkommen übergeschnappt?«
»Ach?« Sie starrte mich an. Und dann lächelte sie und nickte, so als sähe sie erneut den magischen Puma-Mann vor sich. »Nun, was ist?« Ihre Lider sanken herunter. »Ich möchte, daß du dir wirklich Mühe gibst.« Dann sagte sie nichts mehr. Sie war völlig betrunken und kippte einfach zur Seite. Nach einigen wenigen Minuten schnarchte sie.
Ich blieb noch eine ganze Zeitlang wach und lauschte dem Atem Celestes so wie damals dem meiner Tochter Maura, als sie aus dem Hospital nach Hause zurückgekehrt war. Bei der geringsten Veränderung im Rhythmus, in dem sie Luft holte und den Atem entweichen ließ, zuckte ich zusammen und war versucht, nach dem Telefon zu greifen. Schließlich aber muß ich ebenfalls eingeschlafen sein, denn als ich am nächsten Morgen hochschreckte, war Celeste bereits nicht mehr da. Von ihrem ebenso plötzlichen wie absonderlichen Eindringen in mein Leben blieb nichts anderes zurück als eine Erinnerung – und ein Scheck über fünftausend Dollar, ausgestellt auf meinen Namen und zu Lasten einer Bank auf den Cayman-Inseln südlich von Kuba.
Als ich des Abends nach Hause zurückkehrte, erzählte ich Barbara einiges von der Geschichte – aber nicht alles. Als ich darauf zu sprechen kam, wie Celeste mir den Koks anbot, fragte meine Frau: »Und hast du was davon probiert?« Als sei sie sich nicht sicher, wie ich mich in einer solchen Situation verhielte. »Natürlich nicht«, erwiderte ich
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