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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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augenblickliche, keine Spuren hinterlassende, genauso wie die Liquidierung irgendeines anderen Gegenstandes solcher Ausmaße, Energie erforderte, und nicht wenig. Der optische Schirm löste die Probleme nicht zur Gänze.
    Eine kleine Scheibe in Tellurfassung – das elektronische Auge eines winzigen, fast schwerelosen Geräts – zeigte die rasanten Perspektiven der städtischen Straßen und Alleen, der Avenuen, Gassen und Kais. Das war kosmische Wirklichkeit. Die Phantasie suggerierte, wie diese Stadt gewachsen war, wie eine Welle von sie überrollenden Ereignissen um die andere ihr ursprüngliches Antlitz verändert hatte, und wie aus der menschlichen Erinnerung der letzte Krieg immer mehr verdrängt wurde.
     
    Zu Ertos Füßen tummelte sich im wirren Grasgeflecht lärmend eine Spatzenschar. Wie zu Lagerfeuern zusammengestellte Baumgruppen streckten Zungen von grüner, flackernder Flamme gen Himmel. Am anderen Ende der Wiese, unter dem Waldkamm, wo sich Schatten in einem schmalen Streifen niedergesenkt hatten und das Gebüsch verdeckten, ging Welta wie immer leichten Fußes dahin und riß im Gehen Halme aus.
    »Welta!« rief er.
    »… elta!« klang das Echo herüber.
    Kein Laut mehr. Die Spatzen flatterten auf und enteilten in das bläuliche Dickicht der Birkenstämme. Er schnitt Welta quer über die Wiese den Weg ab, und es kam ihm der elementare Gedanke, daß es schön wäre, wenn sie nahe beisammen arbeiten und einander sehen könnten, doch weshalb habe er das nicht schon früher gewußt? Er begann zu laufen und vergaß für einen Augenblick alles, was er zweifellos hätte wissen müssen. Welta drehte sich nicht einmal um. Stehengeblieben, beobachtete er erstaunt, wie sie ihre Hand nach einer Blume ausstreckte. Der seinen Lippen fast entfahrene Name war anscheinend auf der zweiten Silbe in der Luft erstarrt, zumindest hatte ihn das Mädchen bestimmt nicht zur Gänze vernommen. Sie hob den Kopf, es war, als blitzte in ihren Augen eine plötzlich aufgekommene Neugier auf, dann erstrahlte in ihnen ein unverhohlenes Lächeln, die Augen begannen zu glänzen – und erloschen. Einen Augenblick später ging das Mädchen bereits mit gesenkten Armen den Pfad entlang. Die zaudernden langen Finger, die hochgeschnellt waren – zu den Wangen, zu den Haaren –, waren dieselben, die von Welta. Ebenso die kastanienbraunen Haarlocken über dem schlanken Hals, die Gesichtszüge und natürlich die Augen, nur der Blick war ein anderer, er stand auf unerklärliche Weise im Einklang mit der grünen Weite hinter ihren Schultern und der lichten Bronze ihrer Arme. Er machte die Kontrolle: schaltete den Kanal ein und erblickte Welta.

    »Was ist geschehen?«
    Ihre Stimme klang wie aus der Ferne, doch ihr Gesicht war ganz nahe, so als wären sie nicht durch Kilometer voneinander getrennt. Er betrachtete sie schweigend, so als wollte er an ihr etwas erkennen, was ihm früher nicht zugänglich und vor allem verborgen gewesen war. Der knopfgroße Bildschirm wurde trübe, überzog sich mit einem elektromagnetischen Schimmel. Zwischen ihnen polterte über der unbekannten Erde ein Gewitter.
    »Welta, ein Gewitter …«
    »Ja, ich weiß, es ist bei uns. Was ist mit dir?«
    »Nichts. Ich wollte dich bloß sehen.«
    »Aber wir haben uns doch gerade erst getrennt, es sind noch keine zwei Stunden vergangen!«
    »Wirklich?«
    Ihm schien nun, als habe er diesen Augenblick schon einmal durchlebt, aufmerksam auf ihre Stimme gehört, ihr Gesicht auf dem Bildschirm gesehen – aber gleichzeitig war er sich sicher, daß dies nie gewesen war. Nach irdischer Rechnung war er zwanzig, Welta ein klein wenig älter. Sie kannten einander seit langem, ansonsten hätten sie nicht zusammen auf dem Schiff sein können und jetzt, von diesem Tage an, auf dem fernen, doch, wie es schien, bekannten Planeten.
    »Ich habe ein Mädchen getroffen, das dir verblüffend ähnlich sieht. Hier, gerade eben.«
    »Ach, das ist es …« Welta lächelte. »Und du hast geglaubt …«
    »Die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend. Ich habe sie laut bei deinem Namen gerufen.«
    »Und?«
    »Sie hat sich nicht einmal umgedreht. Ist fortgegangen.«
    »Bei mir hingegen ist bisher nichts Interessantes vorgefallen. Doch Arbeit wird es viel geben.«
    Weltas Stimme erstarb. Der Bildschirm erlosch. Das erste Gespräch nach der Landung ging alltäglich zu Ende (sie verabschiedete sich nicht einmal), wie hunderte Gespräche auf dem Schiff, als sie nicht mehr als ein paar Meter voneinander

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