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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Gesetze zu verkörpern schien, konnte man ihr vertrauen.
    … Eines Tages rief er das Schiff. Er wollte mit den Seinen sprechen. Auf dem Schiff waren nur vier zurückgeblieben – die zwei Piloten, der Kapitän und der Bordingenieur, die die Tarnung überwachten (das statische Feld verlieh der Rakete die Form eines Haufens). Welta arbeitete nun schon seit einer Woche an einem neuen Ort. Ganz in der Nähe, zirka vierzig Kilometer von der Stadt entfernt, am Ufer der Oka. Jeder Astrobotaniker konnte nur träumen von einem derart ersprießlichen Ort: auf den Terrassen entlang der Oka hatte sich eine Reliktflora erhalten, und es konnten hier, wie auf einem Versuchsgelände, neue Geräte zur Beobachtung der Spektren von Wachsendem, Blühendem, Fruchttragendem, allem, womit diese Erde nur gesegnet war, getestet werden.
    Nachdem er den Variator eingestellt hatte, beobachtete er mit Ungeduld, wie Leben in die Glasscheibe kam, wie der Strahl über die dunkle Glätte des Flusses, über seine breiten Sandufer huschte. Der Strahl machte halt am Stationshäuschen – einer alten verlassenen Datscha, deren Baufälligkeit keinen Zweifel daran ließ, daß sie leer war.
    »Welta!«
    Der Strahl trat gleichsam an die Tür, drang ins Innere. Welta saß am Tisch mit der Analysatorlampe.
    »Grüß dich.« Sie hob den Blick.
    »Störe ich nicht?«
    »Nicht im geringsten. Ich freue mich.«
    Er wurde verlegen. Vor ihr lagen irgendwelche Gräschen, Halme, Blumen. Sie wurden beleckt von den grünen Zungen des Lichts: die Lampe surrte kaum hörbar, während sie die Halme mit kalter Flamme durchleuchtete. Aus ihr kamen Bündel von Funken herausgeflogen, welche die Blätter und Blüten durchbohrten, jedes einzelne Molekül in ihrem Innern abtasteten und einem kleinen ovalen Spiegel zueilten, wie ein Bienenschwarm dem Bienenstock. Dort lieferten sie ihre Beute – winzig kleine Skizzen ab, nach denen die Natur immer neue grüne Nachen mit Blättern als Segeln baute, die sich beeilten, vom Anker loszukommen und unter den Klängen von Frühlingsvogelgezwitscher in das Luftmeer zu entfliehen. Welta studierte den Frühlingszauber, enträtselte seine unbeschreiblichen Muster, seine geheimen Reize, seine stummen Gebote. Ein Netz aus feinen Schatten und Halbschatten hatte sich auf Weltas Gesicht gesenkt. Es erschien streng und abgespannt.

    »Soll ich deine Gedanken erraten?«
    »Ich möchte hierbleiben«, sagte er einfach. »Für immer.«
    »Dann bleib hier. Ich helfe dir, deine Arbeit abzuschließen.«
    Das momentane Erstaunen, das ihr Gesicht belebt hatte, wich Gelassenheit. Sie neigte sich zur Lampe hin. Funken huschten zwischen ihren schlanken Fingern durch wie Glühwürmchen. Kein Wort mehr. Schweigen. Die flinke bebende Flamme, lebhafte auseinanderspritzende Strahlen.
    Keiner von ihnen würde »Nein« sagen. Er konnte hierbleiben, wie einige wenige vor ihm auf anderen Planeten geblieben waren.
    »Welta …« Er versuchte einen anderen Ton zu finden. Nun, da er ihr alles, oder fast alles gesagt hatte, war ihm leichter. Erstaunt spürte er eine unerklärliche Freude in sich aufkommen, die ihn plötzlich so großzügig werden ließ, daß Welta nur ein Wort zu sagen hätte brauchen, und er, Erto, hätte es sich anders überlegt, wäre mit allen, mit ihr zurückgekehrt. Ja, und war ein anderer Ausgang denn überhaupt möglich?
    Sie sagte kein Wort. Ihre zarten Schultern zitterten unter der weißen Bluse. Die grünen Lichter hasteten knisternd im Heuhaufen umher, von dem ein wohltuender Duft ausging.
    »Welta, ich muß wissen, wer sie ist? Verstehst du, wer?«
    »Für mich ist diese Frage schwieriger zu beantworten als für dich.«
    »Aber sie … weiß vom Schiff? Vielleicht muß ich noch jemand anderen über Valentina fragen?«
    »Was gibt es über sie zu fragen?«
    »Du weißt, wovon ich spreche … Valentina, ist sie vom Schiff? Sag es nur, sag, daß sie nach deinem Vor- und Ebenbild geschaffen worden ist, nur sag lieber alles auf einmal!«
    »Ich weiß es nicht, Erto. Ich würde es sagen, wenn ich es wüßte.«
    Wie war er, Erto, mit Welta, mit den anderen zusammen aufs Schiff gekommen? Antwort auf diese Frage konnte es nur eine geben: alle Besatzungsmitglieder waren einer sorgfältigen Prüfung unterzogen worden. Und dabei kam es nicht nur auf persönliche Eigenschaften an, obgleich auch dies etwas sehr Wichtiges ist. (Das ist vielen bekannt, selbst jenen, die nichts mit dem Kosmos zu tun haben.) Noch etwas anderes war nötig. Nämlich, daß sie

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