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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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wollte alles allein machen, sogar die Erstellung des Berichts, damit keiner für ihn zu schwitzen brauchte.
    Nachdem er die greise Bibliographin freundlich gegrüßt hatte, ging er direkt in die Bibliothek. An der Lifttür stellte er, einen günstigen Augenblick abwartend, den Übersetzer ein. Seine Kleidung, sein Gesicht, seine Hände wurden zu Sendern von elektromagnetischen Wellen, sie gaben genau jene Zusammenstellung von Lichtpunkten ab, die mit den Konturen und Farben der hinter ihm stehenden Gegenstände zusammenfiel. Der Zustand der Unsichtbarkeit war nicht verboten: an Erscheinungen hätte ohnehin niemand geglaubt, und die nach Ausschluß von Erscheinungen verbleibenden Möglichkeiten wurden aus hinlänglichen Gründen dem Bereich der Phantasie zugezählt.
    Er drang also in die Bibliothek ein und hatte in etwa drei Stunden zirka hundert Bände durchgesehen. Der Radius des Null-Transports betrug dreißig Meter, und er konnte, bequem im Sessel sitzend, arbeiten. Über die Straßen zog indessen ein Gewitter hinweg, und sein Hauch war selbst hier zu spüren.
    Am Ende des Tages geschah das Unvermeidliche: am anderen Ende der Stellage, über dem vierten Regal von unten tauchte ein blasses Frauengesicht mit dem Ausdruck äußersten Schreckens und Erstaunens auf. Er stellte die Bücher rasch auf ihren Platz und kehrte in den Saal zurück. Er arbeitete bis spät in die Nacht.
    Zu Hause erwartete ihn ein Brief.

 
    DER BRIEF PROFESSOR SCHESTAKOWS
     
    Lieber Erto,
    die Umstände ergeben es, daß ich auf eine Dienstreise in das Pamirgebiet fahren muß, wo der kilometergroße Spiegel unseres Radioteleskops Signale aufgefangen hat, die mit dem üblichen Chaos des interstellaren Raums überhaupt nicht in Einklang stehen. Es mag Ihnen erstaunlich und seltsam erscheinen, daß ein Forscher, der einen Großteil seines bewußten Lebens dem Verständnis der Möglichkeit von Kontakten gewidmet hat, genau dann auf Dienstreise geht, wenn sich sein Mitbewohner als Vertreter eines fremden Planetensystems herausstellt. Ich kann meine Teilnahme an der Konferenz, die der Dechiffrierung von Signalen gewidmet ist, nicht absagen. Ich vertraue Ihnen gerne meine Überlegungen hinsichtlich unserer privaten Beziehung an. Ich will nicht verhehlen, daß meine Entdeckung nicht wenig Arbeit und Geduld gekostet hat. Es hätte gar nicht anders sein können, da alle Fakten, sogar die gewöhnlichsten, von mir in einem ganz anderen Sinn interpretiert werden mußten, wobei sich die wahre Variante, so schien es, von Anfang an der Erwägung entzog (womit Sie natürlich rechnen mußten).
    Ja, ich wäre weit entfernt gewesen von der Wahrheit als Fachmann, und kein einziger Kollege hätte mir geglaubt (was sie auch jetzt nicht tun), wenn es mir irgendwann durch irgendein Wunder gelungen wäre, meine Theorien durch Tatsachen zu erhärten. Das wäre buchstäblich als Zufall betrachtet worden, den es im günstigsten Fall vielfach zu beweisen gegolten hätte, was die im Grunde genommen unerfüllbare Aufgabe zu einer noch komplizierten gemacht hätte. Doch lange Jahre war in mir ein Traum lebendig. Ich überzeugte mich fast davon, daß unser Dialog einen, wenn man so sagen darf, sachlichen Charakter haben müsse. Doch je länger ich an der Theorie der ungelenkten Verbindung arbeitete, desto mehr reifte in mir ein vollkommen anderer Gedanke. Ich begann zu erraten, daß in den unübersehbaren Weiten immer und überall vor allem die Suche nach ähnlichen Wesen betrieben wurde. Wären Sie etwa so lange bei uns geblieben, wenn Sie oder wir uns als anders erwiesen hätten?
    Dieser Gedanke ist wahrscheinlich nicht neu, doch ich verstand ihn vermutlich gar zu buchstäblich. Ich versuchte einen meiner Kollegen und Freunde davon zu überzeugen, daß das Gespräch am ehesten Fachleute aufnehmen würden. Er widersprach mir heftig, und ich brauste auf. »Was soll daran seltsam sein, es wird genau so geschehen, wie ich sage! Ein Telefonanruf oder einfach ein Mensch wird kommen und das Gespräch beginnen. Ja, gerade zu mir oder zu dir, weil gerade wir darauf vorbereitet sind. Am ehesten jedoch zu mir!«
    Das war nur ein Traum. Ich verstand das bestens. Und auch der Freund verstand es. Nichtsdestotrotz fertigte er eine Art freundschaftliche Karikatur an und schenkte sie mir. Auf der Zeichnung war ein junger Mann mit einem Köfferchen in der Hand dargestellt, der an meiner Türklingel läutet. Die Unterschrift war ziemlich spöttisch. Sie lautete: »Ich bin angekommen, aber was

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