Wassermans Roboter
einer kurzen Reise, einem Spaziergang … Und dort … würden Haus, Arbeit, Freunde, zur Wirklichkeit gewordene Erinnerungen und Träume warten.
Doch es kamen immer neue Gedanken über das Leben, über dessen Zweck, über die Vernunft, die befreiend und Zauberkraft verleihend, die Gefühle mitunter in eine unsichtbare Glaskappe einzuschließen scheint, sie zum Gegenstand von Untersuchungen macht, und daß die Blumen der Sternbilder nicht weniger schön sind, weil die Kräfte erkannt wurden, die sie antreiben, daß die Rufe der Zugvögel häufig das Herz beunruhigen und die durchsichtigen Birken in einen geheimnisvollen Schlaf versinken. Die Gedanken hingegen, die über das Universum hinausgeflogen sind, kehren plötzlich zurück auf den Mondpfad auf der glatten Oberfläche des Sees und schlagen einem Vogel gleich die Flügel in einer vormals unbekannten Kraftlosigkeit zusammen.
Früher dachte er, das würde vorübergehen, nun wußte er, daß es für immer war (sie waren vom Schiff auserwählt worden für den ersten Kontakt mit einer solchen Art von Planeten). Und hatte ihn nicht deshalb Welta in alle Pläne eingeweiht?
Er drehte den Teller. Das magische Fließen des Feldes zog ihn zu einem offenen Fenster, dann in die unter den Wolken gelegenen Weiten.
Einem Leitfaden gleich zog sich unten die verschneite Straße dahin, über die spärlich Lastwagen krochen. Rechts und links von der Spur dehnten sich schneeweiße Tücher mit schwebenden Nebeln unter schwarzen Pyramiden von Tannen aus. Der Himmel hingegen wurde heller, und die Strahlen berührten den Schnee, warfen gelbe Kohlestücke auf die Schneehaufen.
Weit hinter den Wäldern und Feldern machte sich indes das interstellare Gefährt zum Start bereit. Nun würde Erto wahrscheinlich nicht mehr zurechtkommen. Sein Weg verlief in anderen Dimensionen, wo die Harmonie der kosmischen Leere Platz machte den Rhythmen der Hügel und Haine, dem gleichmäßigen Dahinfließen der irdischen Winde.
Über eine watteweiche Wolke huschte ein Sonnenstrahl. Momentane Traurigkeit. Das sind sie, dachte Erto. Es war, als hätte eine Silbermünze aufgeblinkt und wäre dann in den Brunnen gefallen. Und erneut ein Ruck in die schneeweiße Unendlichkeit.
… Unter dem vertrauten Fenster schleppen Meisen Brotkrumen aus dem Vogelhaus, stapeln sie am Gesimsrand. Hinter dem Fenster das Gesicht Valentinas. Sie sagte etwas. Bei dem Wind ist es nicht zu verstehen! Doch Erto errät es, da sie bereits vieles weiß und vieles erzählen kann. Das Schiff ist fort. Und sie begreift es. Und was auch immer geschehen mag, in ihm und in ihr lebt die Gewißheit, daß sie nicht vom Schiff geschaffen, sondern von ihm hier gefunden wurde. Und jene für Erto wichtigste Frage, die ihn beunruhigte und auf die er keine Antwort finden konnte, hört an jenem Morgen auf, ihn zu bedrücken.
Was noch bedeuten die Worte, deren Sinn er zu erraten versucht? Eine Bitte, ein Geständnis, eine Antwort? Nein, es ist wirklich nicht zu verstehen … Zu hell ist der Tag, die Luft klingt, und das Flüstern der Baumwipfel kommt immer näher und näher …
Allmählich an Geschwindigkeit verlierend, setzte der Teller auf. Eine Birkenkerze schwankte, ihre Zweige flogen ihm entgegen. Kalte Tropfen liefen wie Schmelzwasser unter dem Hemdkragen auseinander. Schweigen und Stille.
Die Straße – unsichtbar, mit plumpen Autos – tauchte in den letzten Minuten vor dem Fall als dünner Faden auf und verschwand in den unübersehbaren Weiten.
Eine echte kosmische Wirklichkeit, von der er als Junge geträumt hatte … Er dachte, daß er durch den Wald gehen, auf einen Hügel, dann auf einen nächsten steigen müsse, vorbei an einem Hain und erneut auf Hügel und Anhöhen und lange über das urtümliche winterliche Neuland wandern, um auf die Spur, den Pfad und dann auf die Chaussee zu gelangen. Er würde die Straße entlanggehen, ohne vorbeifahrende Autos anzuhalten. Spät nachts, er war sicher (die letzte Suggestion des Schiffes?), würde ein Sechstonnenlaster neben ihm stehenbleiben, der Chauffeur ihm die ölgeschwärzte Hand reichen. Und dieser kurze Weg dem Leben und der Arbeit entgegen würde vielleicht seiner Bedeutung für die Zukunft nach den blitzartigen Federstrich des Schiffes überragen.
Originaltitel: »« (»KRYLATOJE UTRO«)
Copyright © 1976 by Wladimir Scherbakow
aus »Krasnye Koni«
im Verlag Molodaja Gwardija, Moskau, 1976
mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Allunionsagentur für Urheberrechte
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