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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Gebrabbel der Stimmen davontragen, wägte ab, überlegte, gab Befehle aus und schickte sie schließlich alle weg, alle bis auf einen.
    Khar Dorian ist derjenige, der mich küßt, wenn der Tag dafür kommt. Ich brauchte keine Weisheit zu sein, um diese Wahrheit zu wissen.
    Alle übrigen wollten etwas von mir. Wenn sie es bekommen haben, werden sie mich verlassen. Khars Begehren wurde schon vor langer Zeit erfüllt, und er kommt immer wieder zurück, immer wieder und wieder, in meine Welt und in mein Bett. Es ist weder die Liebe zu mir, die ihn immer wieder hertreibt, noch ist es die Schönheit des jungen Körpers, den ich trage, noch etwas so Profanes wie die Reichtümer, die er hier verdient. Sein Sinn trachtet nach größeren Dingen.
    »Er ist mit dir hergekommen«, sagte ich. »Den ganzen langen Weg von Lilith. Wer ist er?«
    »Ein Mitspieler«, sagte Dorian und grinste mich hinterlistig und spöttisch an. Er ist atemberaubend schön. Schlank und straff und wohlproportioniert, ausgestattet mit der Arroganz und rohen Geschlechtlichkeit eines Dreißigjährigen, blühend vor Gesundheit und Kraft und Hormonen. Sein Haar ist blond und lang und ungebändigt. Sein Kinn ist klar und stark, seine Nase gerade und ungebrochen, seine Augen sind von einem hellen, sprühenden Blau. Aber hinter diesen Augen steckt etwas Altes, etwas Uraltes, Zynisches und Finsteres.
    »Dorian«, warnte ich ihn, »versuche nicht, mich an der Nase herumzuführen. Er ist mehr als ein Mitspieler. Wer ist er?«
    Khar Dorian stand auf, reckte sich lässig, gähnte und grinste. »Der, der er vorgibt zu sein«, erklärte mir mein Kreaturenhändler. »Kleronomas.«
     
    Die Moral ist ein dicht gewebtes Kleidungsstück, das einen einengt, sofern man es überhaupt trägt, aber die Weite zwischen den Sternen schafft es, es aufzulösen, zu entflechten und in unzählige einzelne Fäden zu zerlegen, jeder von leuchtender Farbe, ohne jedoch ein erkennbares Muster zu bilden. Der modebewußte Vagabunder wirkt auf Kathatag ausgefallen und unelegant, der Ymiraner kommt auf Vess ins Schwitzen, während der Vessmann auf Ymir friert, und die Lichtschwaden, die die Fellanoraner anstatt Kleidung tragen, provozieren Vergewaltigung, Unruhe und Mord auf einem halben Dutzend von anderen Welten. So ist das mit der Moral. Das Gute unterliegt der Mode wie die Rocklänge, die Entscheidung für ein Seelenleben wiegt nicht schwerer als die Entscheidung darüber, ob man die Brust nackt zur Schau stellt oder sie verhüllt.
    Es gibt Welten, auf denen ich als Ungeheuer gelte. Das macht mir schon lange nichts mehr aus. Ich bin mit meiner eigenen Vorstellung von Mode nach Croan’dhenni gekommen, ohne mich um die ästhetischen Maßstäbe der anderen zu scheren.
    Khar Dorian bezeichnet sich selbst als Kreaturenhändler und weist darauf hin, daß wir tatsächlich mit menschlichen Körpern handeln. Er kann sich nennen, wie er will. Ich bin jedenfalls keine Kreaturenhändlerin, diese Unterstellung beleidigt mich. Ein Händler verkauft seine Kreaturen in Abhängigkeit und Knechtschaft, nimmt ihnen die Freiheit, die Beweglichkeit und die Zeit, alles wertvolle Annehmlichkeiten. Ich tue nichts dergleichen. Ich bin nur eine Diebin. Khar und seine Handlanger bringen mir die Wesen aus den übervölkerten Städten auf Lilith, von den kahlen Bergen und eisigen Ödländern auf Dam Tullian, aus den Bruchbuden entlang der Kanäle von Vess, aus den Raumhafenkneipen auf Fellanora und Cymeranth und Würg, wo immer er welche finden kann, liest er sie auf und bringt sie zu mir, und ich beraube sie und lasse sie frei.
    Viele weigern sich zu gehen.
    Sie drängen sich vor den Mauern meiner Burg, die sie gebaut haben, überreichen mir Geschenke, wenn ich vorübergehe, rufen laut meinen Namen und flehen um meine Gunst. Ich habe ihnen Freiheit, Beweglichkeit und Zeit gegeben, und sie vergeuden alles sinnlos und hoffen nur, das eine zurückzubekommen, das ich ihnen genommen habe.
    Ich stehle ihre Körper, aber ihre Seelen verlieren sie selbst.
    Vielleicht gehe ich auch zu hart mit mir ins Gericht, wenn ich mich als Diebin bezeichne. Diese Opfer, die Khar mitbringt, sind unfreiwillige Mitspieler im Seelenspiel, aber deswegen keine schlechteren Mitspieler. Andere bezahlen für dieses Privileg teuer und riskieren viel dafür. Manche nennen wir Spieler, manche nennen wir Gewinne, aber wenn der Schmerz einsetzt und das Spiel beginnt, sind wir alle gleich, alle nackt und allein ohne Reichtümer oder Gesundheit oder

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