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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Cyborgs haben Synthetikhaut, die von menschlicher Haut nicht zu unterscheiden ist, obwohl das keine besondere Glanzleistung ist bei der Vielfalt der verschiedenen Hautarten, die es auf den tausend Welten gibt. Manche verbergen das Metall und tragen das Fleisch zur Schau, bei anderen ist es umgekehrt.
    Der Mann, der sich Kleronomas nannte, hatte kein Fleisch – weder zur Schau zu tragen, noch zu verbergen. Er bezeichnete sich als Cyborg, und ein Cyborg war er tatsächlich in den Legenden, die sich um ihn rankten, aber als er vor mir stand, kam er mir eher wie ein Roboter vor, so wenig organisch, daß er nicht als Androide durchgegangen wäre.
    Er war nackt, wenn man ein Ding aus Metall und Plastik als nackt bezeichnen kann. Sein Brustkorb war tiefschwarz, aus irgendeinem glatten Plastikmaterial oder einer glänzenden schwarzen Legierung. Ich konnte es nicht erkennen. Arme und Beine bestanden aus durchsichtigem Plastahl! Unter der künstlichen Haut konnte ich das dunkle Metall seiner Knochen aus Duraluminium sehen, die Pleuelstangen und Gelenke, die die Muskeln und Sehnen darstellten, die Mikromotoren und Empfindungscomputer, die verzweigte Lichtmuster durch sein supraleitfähiges Neurosystem rauf und runter jagten. Seine Finger bestanden aus Stahl. An seiner rechten Hand sprangen lange Silberklauen angriffslustig aus den Knöcheln, wenn er sie zur Faust ballte.
    Er sah mich an. Seine Augen waren kristalline Linsen, die in Metallhöhlen eingelassen waren und sich in einer grünlichen, geleeartigen Masse vor und zurück bewegten. Sie hatten keine sichtbaren Pupillen; hinter jeder karmesinroten Iris glühte ein schwaches Licht, das seinem erbarmungslos starren Blick ein geheimnisvolles Glimmen verlieh. »Bin ich derartig faszinierend?« fragte er mich. Seine Stimme hörte sich überraschend natürlich an, tief und klangvoll, ohne metallene Echos, die den menschlichen Eindruck seiner Bewegungen zunichte gemacht hätten.
    »Kleronomas«, sagte ich. »Dein Name ist faszinierend, gewiß. Vor sehr langer Zeit gab es schon einmal einen Mann mit diesem Namen, einen Cyborg, eine Legende. Du weißt das natürlich. Den von der Kleronomas-Untersuchung. Den Gründer der Akademie des Menschlichen Wissens auf Avalon. Ein Vorfahr von dir? Vielleicht ist das Metall ein Familienerbgut?«
    »Nein«, sagte der Cyborg. »Ich bin es selbst. Ich bin Joachim Kleronomas.«
    Ich lächelte ihn an. »Und ich bin Jesus Christus. Darf ich dir meine Apostel vorstellen?«
    »Du zweifelst an mir, Weisheit?«
    »Kleronomas starb vor fast tausend Jahren auf Avalon.«
    »Nein«, sagte er. »Er steht in diesem Moment vor dir.«
    »Cyborg«, sagte ich, »wir befinden uns hier auf Croan’dhenni. Du wärst nicht hier, wenn du nicht auf der Suche nach Wiedergeburt wärst, wenn du nicht bestrebt wärst, im Seelenspiel ein neues Leben zu gewinnen. Sei gewarnt! Im Seelenspiel bricht dein Lügengebäude zusammen. Dein Fleisch und dein Metall und deine Illusionen, alles werden wir dir nehmen, und am Schluß wirst nur noch du übrig bleiben, nackter und einsamer, als du es dir je hättest vorstellen können. Also verschwende nicht meine Zeit. Es ist das Wertvollste, das ich besitze: Zeit. Es ist das Wertvollste, was jeder von uns besitzt. Wer bist du, Cyborg?«
    »Kleronomas«, sagte er. Klang eine Spur von Spott in seiner Stimme mit? Ich hätte es nicht zu sagen vermocht. Sein Gesicht war nicht zum Lächeln konstruiert. »Hast du auch einen Namen?« fragte er mich.
    »Mehrere«, sagte ich.
    »Welchen benutzt du?«
    »Meine Spieler nennen mich Weisheit.«
    »Das ist ein Titel, kein Name«, sagte er. Ich lächelte. »Du bist also auf den Welten herumgekommen wie der echte Kleronomas. Gut. Mein Geburtsname war Cyrene. Ich glaube, von allen meinen Namen ist mir dieser am geläufigsten. Ich habe ihn während der ersten fünfzig Jahre meines Lebens getragen, bis ich nach Dam Tullian kam und studierte, um eine Weisheit zu werden, und mit dem Titel einen neuen Namen annahm.«
    »Cyrene«, wiederholte er. »Sonst nichts?«
    »Sonst nichts.«
    »Auf welcher Welt bist du denn geboren?«
    »Asch.«
    »Cyrene von Asch«, sagte er. »Wie alt bist du?«
    »In Standardjahren?«
    »Natürlich.«
    Ich hob die Schultern. »An die zweihundert. Ich habe schon lange aufgehört zu zählen.«
    »Du siehst aus wie ein Kind, wie ein Mädchen kurz vor der Pubertät, nicht älter.«
    »Ich bin älter als mein Körper«, sagte ich.
    »Genau wie ich«, sagte er. »Der Fluch eines Cyborgs,

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