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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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irgendeinen Status, einzig und allein ausgestattet mit der Stärke, die in uns selbst liegt. Gewinnen oder verlieren, leben oder sterben, es liegt nur an uns, an uns ganz allein.
    Ich gebe ihnen eine Chance. Nur wenige haben gewonnen. Sehr wenige, das stimmt, aber welcher Dieb gibt seinen Opfern überhaupt eine Chance?
    Die Stahlengel, deren Welt weit entfernt von Croan’dhenni auf der anderen Seite des menschlichen Raums liegt, bringen ihren Kindern bei, daß Stärke die einzige Tugend und Schwäche die einzige Sünde sei, und sie predigen, daß die Wahrheit ihres Glaubens eindeutig im Universum niedergeschrieben sei. Darüber läßt sich nur schwer streiten. Nach ihrem Glauben habe ich jegliches moralisches Recht, ihre Körper zu nehmen, da ich stärker und deshalb besser und heiliger bin als jene, die mit diesen körperlichen Hüllen geboren wurden.
    Das kleine Mädchen, das meiner gegenwärtigen körperlichen Gestalt entsproß, ist leider kein Stahlengel.
     
    »Und mit dem Baby sind wir drei«, sagte ich, »auch wenn das Baby aus Metall und Plastik besteht und sich selbst als Legende bezeichnet.«
    »He?« Rannar blickte mich verständnislos an. Er ist nicht so weit herumgekommen wie ich, und Anspielungen, der Bezug auf irgend etwas aus meiner vergessenen Jugend aus irgendeiner Welt, die er nie betreten hat, entgehen ihm völlig. Sein langes, griesgrämiges Gesicht zeigte einen Ausdruck von geduldiger Verwirrung.
    »Jetzt haben wir drei Mitspieler«, erklärte ich ihm behutsam. »Wir können das Seelenspiel spielen.«
    Soweit verstand Rannar jetzt die Sache. »Ach ja, natürlich. Ich werde sofort alles in die Wege leiten, Weisheit.«
    Craimur Delhune war der erste. Ein uraltes Geschöpf, fast so alt wie ich, obwohl er sein ganzes Leben in dem gleichen kleinen Körper verbracht hatte. Kein Wunder, daß er abgenutzt war. Er war unbehaart und verschrumpelt, eine keuchende, halbblinde Mißgeburt; sein Fleisch steckte voller Fremdplasmen und Implantaten aus Metall, die Tag und Nacht arbeiteten, um ihn am Leben zu erhalten. Viel länger konnten sie es nicht mehr schaffen, aber Craimur Delhune hatte noch nicht genug vom Leben, und deshalb war er nach Croan’dhenni gekommen und hatte seinen Spieleinsatz bezahlt, um noch mal ganz von vorn anzufangen. Er wartete nun schon fast ein Standardjahr lang.
    Rieseen Jay war ein Fall für sich. Sie war noch keine Fünfzig und in einem ganz ordentlichen Gesundheitszustand, obwohl ihr Körper seine sehr persönlichen Spuren zeigte. Rieseen war übersättigt, sie hatte keins der Vergnügen, die Lilith bietet, ausgelassen – und Lilith bietet einiges an Vergnügen. Sie hatte alle Speisen genossen, Erfahrungen mit allen Drogen gemacht, Sex mit männlichen, weiblichen, fremdweltlichen und tierischen Wesen getrieben, ihr Leben beim Gletscherskifahren aufs Spiel gesetzt, Höhlendrachen gefüttert und allüberall in Gedankenkriegen gekämpft. Nun glaubte sie, ein neuer Körper wäre gerade die rechte Würze des Lebens. Vielleicht ein männlicher Körper, hatte sie sich überlegt, oder der etwas angestaubte Körper eines Fremdweltlers. Von ihrer Sorte hatten wir schon ein paar hier.
    Und mit Joachim Kleronomas waren es drei.
    Im Seelenspiel können sieben mitspielen. Drei Spieler, drei Gewinne und ich.
    Rannar reichte mir eine dicke Mappe, vollgestopft mit Fotos und Berichten über die Gewinne, die frisch mit Khar Dorians Schiffen eingetroffen waren, auf der Strahlender Phönix, der Letzte Chance, der Neues Spiel und der Fleischpott (Khar hatte schon immer einen ausgeprägten Sinn für schwarzen Humor). Mein Majordomus stützte mich am Ellbogen, während ich die Seiten umblätterte und meine Auswahl traf. »Sie ist entzückend«, sagte er beim Anblick eines Bildes, das ein schlankes Mädchen von Vess zeigte, mit ängstlichen gelben Augen, die auf einen Genbastard schließen ließen. »Sehr stark und gesund«, sagte er eine Weile später, als ich einen Jungen mit gewaltigen Muskeln, grünen Augen und hüftlangem, geflochtenem schwarzem Haar in Betracht zog. Ich beachtete ihn nicht. Ich beachtete ihn nie.
    »Diesen hier«, sagte ich und nahm die Unterlagen eines Jungen heraus, der schlank wie ein Stilett war und dessen rosige Haut über und über mit Tätowierungen bedeckt war. Khar hatte ihn den Behörden auf Würg abgekauft, wo er eine Strafe wegen eines Mordes an einem anderen Sechzehnjährigen verbüßte. In den meisten Welten war der Name Khar Dorians, des skrupellosen Freihändlers,

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