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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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helfen; doch der stand bereits wieder, wischte sich gerade den Schmutz vom Mantel und schnaubte wütend und brummelte vor sich hin.
    »Sind Sie in Ordnung?«
    Eine Weile hielt das wütende Gebrummel des alten Mannes noch an, dann klappte er mit einem Ruck den Mund zu, als wollte er damit das Ende des Vorfalls andeuten, und sah seinen Retter an.
    »Gut gemacht, junger Freund. Ein ganz bemerkenswerter Stil, den Sie da haben.«
    Billy Kinetta starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. »Sind Sie sicher, daß Ihnen nichts fehlt?« Er streckte die Hand aus und schnipste einige nasse Grashalme von den Schultern des alten Mannes.
    »Mir geht es gut. Mir geht es gut, aber ich bin durchnäßt und sauer. Lassen Sie uns irgendwohin gehen und eine gute Tasse Earl Grey trinken.«
    Billy Kinettas Gesicht hatte einen ganz bestimmten Ausdruck gehabt, als er mit gesenktem Blick dagestanden und das Grab angestarrt hatte, das zu besuchen er gekommen war. Während seines Rettungseinsatzes war der Ausdruck verschwunden gewesen. Jetzt erschien er wieder.
    »Nein danke. Wenn Ihnen nichts fehlt, dann kann ich weiter meinen Angelegenheiten nachgehen.«

    Der alte Mann betastete sich von oben bis unten, mit peinlicher Sorgfalt, bevor er antwortete. »Ich habe lediglich ein paar gehörige Prellungen. Wenn ich eine alte Frau wäre und nicht so ein alter Heißsporn – also, als Frau in meinem Alter hätte ich schon einen großen Teil meines Knochenkalziums eingebüßt, und die beiden hätten mir in dem Fall ganz schön zugesetzt. Wußten Sie, daß Frauen eine beachtliche Menge Kalzium verloren haben, wenn sie in mein Alter kommen? Ich habe einen Bericht darüber gelesen.« Dann machte er eine Pause und fügte schüchtern hinzu: »Kommen Sie, warum setzen wir uns nicht zusammen und plaudern ein bißchen bei einer guten Tasse Tee?«
    Billy schüttelte geistesabwesend den Kopf, doch unwillkürlich mußte er lächeln. »Sie haben vielleicht Nerven, Alter. Ich kenne Sie ja nicht einmal.«
    »Das gefällt mir.«
    »Was, daß ich Sie nicht kenne?«
    »Nein, daß sie mich ›Alter‹ nennen und nicht ›Opa‹. Ich hasse Opas. Ich habe dabei immer das Gefühl, als wollte mir so ein Klugscheißer die Mütze mit dem Flaschenöffner vom Kopf heben. Während sich ›Alter‹ doch irgendwie respektvoll anhört. Das gefällt mir in jeder Hinsicht. Ja, ich glaube, wir sollten uns ein warmes, ruhiges Plätzchen suchen, uns ein bißchen zusammensetzen und uns kennenlernen. Schließlich haben Sie mir das Leben gerettet. Und Sie wissen vielleicht, was das im Orient bedeutet.«
    Billy lächelte immer noch. »Also, erstens bezweifle ich sehr, daß ich Ihnen das Leben gerettet habe. Vielleicht Ihre Brieftasche. Und zweitens, ich kenne nicht einmal Ihren Namen. Worüber sollten wir uns also unterhalten?«
    »Caspar«, sagte der andere und streckte die Hand aus. »Das ist ein Vorname. Caspar. Wissen Sie, was er bedeutet?«
    Billy schüttelte den Kopf.
    »Sehen Sie, schon haben wir etwas, worüber wir uns unterhalten können.«
    So kam es, daß Billy, immer noch lächelnd, mit Caspar langsam zum Friedhof hinausspazierte. »Wo wohnen Sie? Ich werde Sie nach Hause bringen.«
    Sie befanden sich jetzt auf der Straße und gingen auf Billy Kinettas Cutlass, Baujahr 1979, zu. »Wo ich wohne? Das ist für jetzt zu weit. Ich fühle mich langsam etwas erschöpft. Ich würde mich gern für ein paar Minuten hinlegen. Wir könnten ja zu Ihnen gehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Nur für ein paar Minuten. Für eine Tasse Tee. In Ordnung?«
    Er stand neben dem Cutlass und sah Billy mit dem erwartungsvollen Lächeln eines alten Mannes an, der darauf wartete, daß man ihm die Tür aufschließt und aufhält, bis er mit seinen zwar immer noch kalziumreichen, aber dennoch alten Knochen auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat. Billy sah ihn abschätzend an und versuchte sich auszumalen, welches Risiko er möglicherweise einging, wenn er die Tür aufschloß. Dann stieß er ein kleines schnaubendes Lachen aus, schloß die Tür auf, hielt sie für Caspar auf, bis er Platz genommen hatte, schlug sie zu und ging um den Wagen, um die Fahrertür aufzuschließen und einzusteigen. Caspar streckte den Arm herüber und schob den Verriegelungsknopf hoch. Und sie fuhren zusammen weg in den Regen.
    Während der ganzen Zeit war von dem Uhrwerk kein Laut zu hören gewesen, nicht der geringste.
     
    Genau wie Caspar war auch Billy Kinetta allein auf der Welt.
    Sein Dreizimmer-Apartment war das Vakuum, in

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