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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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nicht so vergeßlich, wie er meist tat.
    »Gut, gut«, sagte Vik, »aber das erzähle ich euch ein anderes Mal … Ich muß jetzt weg. Wie spät ist es eigentlich? Habt ihr keine Uhr?«
    Er schaute auf seine Armbanduhr. »Einstein! Halb zwölf! Ich muß los! Wie gefällt euch mein Geschenk?«
    Ihre Augen wurden groß. »Was?« fragte der Alte, der offenbar gemerkt hatte, daß irgend etwas im Gange war. Vik hatte sich erhoben und stand jetzt wieder in voller Größe mitten im Zimmer. Frau Duiker schrieb auf den Notizblock, was er gesagt hatte.
    »Ja, mein Geschenk! Für euer Fest!« rief Vik so laut, daß sogar ihr Mann es verstand.
    »Wieso Fest? Welches Fest?« fragte der Alte verwundert.
    »Ja«, sagte Vik lachend. »Euer Fest! … Bei Buys-Ballot, wißt ihr denn nicht, daß ihr heute fünfzig Jahre verheiratet seid?«
    »Viktor!« Einen Fluch konnte man überhören, nun ja, aber das ging nun wirklich zu weit – und dann wurde ihr langsam klar, was Vik gesagt hatte. Sie schaute Onno an, und wieder traten ihr die Tränen in die Augen. Die beiden Alten umarmten sich und drückten sich eng aneinander. Sie hielten sich gegenseitig aufrecht, viel mehr war es eigentlich nicht, dachte Frau Duiker; vielleicht mußte sie deshalb weinen. Fünfzig Jahre! Fünfzig Jahre …
    Jetzt hielt auch Vik beide umschlungen. »Proficiat, Alterchen! Auf daß es euch noch lange gut gehe! – Aber ich muß jetzt wirklich fort. Ich schaue demnächst noch mal vorbei, wenn ich mehr Zeit habe. Ich bin öfters in der Gegend, aber meistens muß ich alles mögliche erledigen … Ihr kennt das ja … Newton, ich muß mich auf die Beine machen! Bally bleibt bei euch, das ist mein Geschenk.« Er hatte seinen Kameraden bei den Schultern gepackt, zog ihn von dem Stuhl hoch, auf dem er gesessen hatte, und schob ihn den beiden Alten, die fassungslos dastanden, sozusagen in die Arme. Frau Duiker hielt immer noch in der einen Hand den Block und in der anderen den Stift. Bally lächelte etwas ausdruckslos; sein Mund bewegte sich, doch er sagte nichts. »Ich habe ihn für einen Spottpreis bekommen, aber ich habe ihn überholen lassen; er ist so gut wie neu – was, Bally?«
    »Ein R-R-Roboter?« fragte Frau Duiker.
    »Ein Androide, Mutter. Roboter sind aus Metall; dieser hier ist aus unverschleißbarem Softil. Schau dir nur die Haare an!« Er griff ihm in den Haarschopf und ließ die Haare durch seine Finger gleiten. »Erste Qualität … Aber jetzt wird es höchste Zeit für mich.« Er gab seinem Vater einen Klaps auf die Schulter und umarmte seine Mutter noch einmal. Als er sie auf die Stirn küßte, mußte er sich tief bücken. Dann drehte er sich um und blieb mit dem Gesicht zur Wand stehen, wo die Bratsche hing. »Ach, das Jammerholz!« sagte er, und zum erstenmal bekam seine Stimme einen zärtlichen Klang. »Nun, ich gehe jetzt«, sagte er, »und für euch ist es Zeit, ins Bett zu gehen!«
    Bevor sie sich versah, hörte sie, wie die Außentür zuschlug. Weg war er. Weg … Und sie hatte ihn noch so vieles fragen wollen …

 
3
     
    Dem alten Herrn Duiker war schwindelig von dem ganzen Trubel. Alle machten sich an ihm zu schaffen: sein Sohn mit seinem makellos weißen Gebiß; sogar sein Frauchen, das ihn monatelang nicht angefaßt hatte. Er wußte nicht, was los war, außer daß sie verheiratet waren – vierzig Jahre … fünfzig … was machte das schon aus. Sie waren doch jeden Tag verheiratet, tagein, tagaus. Typisch für das Menschlein, deshalb so sentimental zu werden. Und was wollte dieser fremde Mann hier?
    Dann sah er, daß Anna in der Tür stand, ihm zuwinkte und in die Diele verschwand. Doch bevor er ihr folgte, schaltete er die Stehlampe aus. Es fiel noch genug Licht ins Zimmer, auch wenn jetzt leichte Wolkenschleier den Mond verdeckten.
    Sie war in der Küche und schloß die Tür hinter ihm. Was sollen wir nur mit diesem seltsamen Kauz anfangen? hatte sie auf den Notizblock geschrieben. »Wer ist das eigentlich?« fragte er griesgrämig, und mit ihrer zitternden Hand schrieb sie eine ganze Geschichte auf. Sie hatte die Kochleuchte eingeschaltet, und mit großer Mühe, die Augen ganz nahe am Notizblock, las Duiker das Gekritzel: »Ja, ja«, sagte er nickend. »Aber wie sollen wir ihn wieder loswerden? Wir können ihn ja wohl kaum in den Abfallbehälter stecken.« Beim Gedanken an die zwei Beine, die dann steif aus der halbgeschlossenen Klappe ragen würden, mußte er grinsen.
    Das Menschlein schaute ihn entrüstet an. Vielleicht hatte sie

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