Wassermans Roboter
in die Diele. Duiker ging zum Fluidummesser an der Wand und klopfte gegen das Glas. Das Ding hing im Schatten; der Zeiger war nur schwer zu erkennen. Aber er schien gestiegen zu sein. »Spannung in der Luft«, murmelte Duiker vor sich hin und fürchtete sich plötzlich vor dem, was das I Ging sagen würde.
In der Diele ertönte ein schallendes Lachen. Er hörte es. Angst überkam ihn, doch er wollte sich das nicht eingestehen. Er erhob sich von seinem Stuhl, blieb stehen und schaute gespannt zur Tür. Er mußte nachschauen; er konnte doch sein kleines Frauchen nicht alleine … aber seine Energiekurve war ganz unten …
»Feigling!« sagte Duiker zu sich selbst und setzte sich unsicher in Richtung Tür in Bewegung.
2
Die alte Frau Duiker wollte zuerst ihren Augen nicht trauen. Ein großer Mann hob sich vor dem Nachtlicht der Galerie ab; er schien die gesamte Türöffnung auszufüllen. Dann kamen Tränen in ihre Augen. »Vik!« rief sie mit erstickter Stimme und spürte, wie sie zwei kräftige Arme umschlangen.
Wie lange hatte sie schon nicht mehr an ihn gedacht? … Ja, jetzt erkannte sie alles wieder: seinen Geruch, sein lautes Lachen. Es war, als wäre er von den Toten auferstanden. »Mein Junge … Komm herein, komm doch herein!« Erst dann bemerkte sie, daß hinter ihm noch jemand stand. »Guten Tag«, grüßte sie schüchtern und schaute ihren Sohn hilfesuchend an.
»Das ist Bally, Mama«, sagte der lachend, und während sie dem Unbekannten höflich eine Hand gab, stürmte ihr Sohn Vik schon ins Haus. Bally war ein ruhiger, gut aussehender junger Mann, und im Lichtschein, der in die Diele fiel, sah sie, daß er sehr freundlich wirkte. Sie schob den Fremden rasch ins Wohnzimmer, denn sie wollte jetzt möglichst rasch bei ihrem Sohn sein.
Wie ein Riese stand Vik mitten in dem kleinen Raum und faßte seinen Vater bei den Schultern. »Du alter Zahnzieher«, sagte er, »was sitzt du hier im Dunkeln! Ich hatte schon befürchtet, ihr könntet zu Bett gegangen sein. Guckt ihr denn kein Holo? Es ist doch hoffentlich nicht kaputt?«
»Was?« fragte ihr Mann und legte eine Hand ans Ohr.
»Wir haben ihn weggegeben«, sagte Frau Duiker und schaltete eine Stehlampe an. »Ach, wenn man so alt ist wie wir, hat man sowieso schon alles gesehen.« Die Wahrheit war, daß sie das Gerät mit dem Alten zusammen zum Dielenschrank geschleppt und ihn darin verstaut hatte. Er funktionierte nicht mehr, und sie hatten nicht gewußt, wie sie ihn reparieren lassen und woher sie das Geld dafür nehmen sollten. Und außerdem sparte es Energie, nicht holozusehen.
»Pi-Quadrat!« rief Vik. »Sitzt ihr immer im Dunkeln?«
Frau Duiker verzog unwillkürlich den Mund, sagte aber nichts. Früher hatte er auch immer so grob geflucht. Sie brachte schlurfend noch zwei Tassen herbei, während Vik seinen Freund mit lauter Stimme ihrem Mann vorstellte. »Setz dich doch, Junge«, sagte sie, »und Sie auch, Herr Bally!«
»Ich habe eigentlich keine Zeit, muß gleich wieder weg«, sagte Vik, setzte sich dann aber doch auf einen der Stühle, die eigentlich viel zu klein für ihn waren. »He, dieser Totenkopf steht noch immer auf dem Kamin! Wißt ihr eigentlich, daß ich davor als Kind eine Heidenangst hatte?« Er lachte. »Na, warm ist es bei euch ja auch nicht gerade! Das Element wird doch nicht leer sein?«
»Ach«, sagte Frau Duiker, »Alte Menschen brauchen nicht soviel Wärme.« Er brauchte schließlich nicht zu wissen, daß sie sich von ihrem SEE keine zwei Elemente pro Jahr leisten konnten … Und man gewöhnte sich daran.
Sie rührten mit den silbernen Löffeln den Kaffee um. Die Männer hatten sich aus Viks Schachtel eine Zigarre angesteckt. Zum erstenmal seit langer Zeit hing wieder Rauch im Zimmer, und sie genoß die gemütliche Atmosphäre. Wie selten sie die Zimmerlampe einschalteten! Erinnerungen an früher tauchten auf, und offenbar erging es Onno ähnlich, denn auch er starrte ab und zu gedankenverloren in eine Zimmerecke.
Plötzlich fragte der Alte: »Wie geht es Vera? Wie geht es ihr nur? Und ihrem Mann, wie heißt er doch wieder?«
»Ssssst«, zischte Frau Duiker leise, doch das konnte er natürlich nicht hören. Veronika, ihre Tochter! Ihr Mann war vor vielen Jahren wegen irgendeines Vergehens ausgewitzt worden. Sie vermied, so gut es ging, auch nur daran zu denken, und sie sprach nie darüber.
Sie hatte gehofft, Ron, dieser Verbrecher, sei aus dem Bewußtsein ihres Mannes ausgelöscht, aber vielleicht war er doch gar
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