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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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können wie die anderen Varianten, ich meine nur …«
    Jemand unterbrach ihn. Was der sagte, konnte Markus nicht verstehen. Es war unwichtig. Auch der Dozent und der Unterbrecher würden immer das gleiche sagen. Und es würde immer aktuell sein. Markus begann zu weinen.
    Und Mary.
    »Ich hab’ ihm gesagt, ich mach’ das nicht mehr länger mit. Er ist so abwesend, weißt du …«
    Sie sprach von ihm, genau das hatte sie ihm selbst vor zwei Tagen gesagt. Immer wieder würde sie es ihm sagen, solange das Radio lief. Und dieses Radio brauchte nicht einmal Strom. Er verstand nicht, was vorging; und er verstand es doch.
    »Oh … schön … schön …«, sagte die Frau.
    »Aber jetzt, wo der alte Mann weg ist, wird es vielleicht besser«, sagte Mary.
    Jimmy sagte nichts. Er würde nie etwas sagen.
    »Diesen Einwand kann ich nicht gelten lassen, Professor! Bedenken Sie doch die psychosozialen Konsequenzen, wenn wir so vorgehen!« sagte der Dozent.
    Sie sprachen, und er konnte sie hören. Nur hören. Nicht selber sprechen. Zu niemandem. Nie mehr. Nur allmählich, qualvoll langsam, begann er zu begreifen, daß er allein sein würde. Die Sonne draußen war weg. Eine blasse Helligkeit hatte sich ausgebreitet; über den Garten, das Glashaus, das Innere des Hauses. Nur das magische Auge des Radios war wie immer. Funkelnd und aufmerksam.
    »Er ist hier, du wirst sehen.«
    Diese Stimme kam nicht aus dem Radio. Die Stimme kam von der Eingangstür und gehörte Großvater. Berger schob eine Frau durch die Tür. Sie entdeckte Markus vor dem Radio und lächelte. Markus kannte die Frau nur von einem Photo. Auch der Großvater kam herein.
    »Ich bin’s«, sagte er. Und die Frau sagte mit jener Stimme, die so bekannt und nicht durch Störungen verzerrt war: »Mach aus!«
    Markus war froh, sie zu sehen. Er würde nicht allein sein; doch nicht. Und er machte das Radio aus.
     
    Copyright © 1988 by Christian Mähr

 
Thomas Wintner
Das Geschenk
     
1
     
    Der alte Herr Duiker sah sie direkt vor sich: zwei Soldaten in der Kabine eines Panzerpferdes. Gefleckte Gesichter, die Helme getarnt. Hinter den Schultern ragten die Läufe ihrer Sieder empor. Mit starrem Blick stießen sie Sätze in der heiseren Ursprache hervor, die er so gut kannte, von der er jedoch kein Wort verstand. Abwechselnd sprachen sie in barschem Ton, während der Schreitwagen sie durchrüttelte. Duiker wußte, daß das endlos so weitergehen konnte. Er schlief nicht, es war kein Traum – und es würde erst aufhören, wenn er sich aus dem Bett erhob. Er war zwar noch müde, aber er wußte, daß es mit dem Schlafen nun vorbei war.
    Er versuchte, so gut er konnte, ohne zu stöhnen und ohne heftige Bewegungen aufzustehen. Tatsächlich gelang es ihm, sein Bett und das kleine Schlafzimmer zu verlassen, ohne daß sein Frauchen wach wurde. Zunächst ging er in die Küche und setzte Wasser auf den Stein; anschließend schaltete er im Wohnzimmer den Fusionsherd ein; dann zog er die Vorhänge zurück. Die Luft war so klar, daß er Kali mit ihrer schwarzen Schale sehen konnte. Vishnu funkelte hell; er schwebte wie eine winzige Murmel hoch über den Dächern. Laxmi, die nicht weit davon stand, war nur so groß wie ein Stecknadelkopf. Die übrigen Satelliten, Shiwa und der große Brahma, waren entweder vom Fenster aus noch nicht zu sehen oder noch nicht aufgegangen. Der Mond jedenfalls war noch nicht aufgegangen, denn er konnte sogar verschwommen die Milchstraße sehen.
    Wenn er erst einmal aufgestanden war! Diese erste Stunde im Morgenrock genoß er immer besonders, unrasiert, das klebrige Gefühl des Schlafs noch an der Haut, eine Tasse Tee und eine Stille, in der man sogar das Rauschen der Astro-Pendüle hören konnte. Schütze stieg am Aszendenten auf.
    Nein, er würde Joni noch nicht wecken … Joni? Aber so hieß sie doch gar nicht! Wie hieß sie denn eigentlich? … Anna. Anna! Er durfte es auf keinen Fall vergessen. Sie wurde immer so übertrieben böse, wenn er sie nicht beim richtigen Namen nannte.
    Joni … War das nicht die bildschöne Frau gewesen, in die er sich heimlich verliebt hatte, weil sie sogar mit aufgesperrtem Mund noch appetitlich aussah? Wenn er an ihren Zähnen gebohrt hatte, hatte sie die wunderlichsten Phantasien bei ihm geweckt. Nein, das war doch Frieda … Und plötzlich war es, als ob ihr Geruch, vermischt mit dem von Äther, im Zimmer hinge.
    Jetzt nur nicht daran denken!
    Duiker trank seinen Tee. Er hätte gerne noch ein kleines Nickerchen gemacht,

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