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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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ist es, etwas zu unternehmen. Doch die sechste Linie, die beunruhigte sie.
    War es wohl richtig von Vik gewesen, ihnen diesen Androiden zu bringen? Es war zwar unterhaltsam – aber sonst hätten sie zu zweit Drangeons gespielt, und das zusammen mit einem Fremden zu tun, nein, dafür war das Spiel zu … zu intim, könnte man sagen. Sie schaute auf ihre Bio-Uhr. Die S- und die G-Kurve standen niedrig, die F-Kurve hoch. Nichts Beunruhigendes. Sie mußte sich gleich unbedingt einmal kurz den Stand des Geigerzählers anschauen; es könnte sein, daß die kosmischen Strahlen …
    Immer wieder kam ihr das Motiv aus Harold in den Kopf. Wie lange war es wohl schon her, seit sie das letzte Mal die Bratsche von der Wand genommen und versucht hatte, darauf zu spielen? Sie war so schwach, ihr Körper war zusammengeschrumpft: Er war nun viel zu klein für das große Instrument. Und doch konnte sie sich noch gut daran erinnern, wie sie in ihren besten Tagen vor einem Publikum das Konzert von Bartok-Primrose gespielt hatte, an den Applaus und an die Blumen, und wie sie vom Dirigenten beglückwünscht worden war.
    Das war nur einige wenige Male passiert, ansonsten hatte sie sich mit einem Platz im Orchester zufriedengeben müssen. Ihre eigenen Kompositionen waren nie aufgeführt worden, nur in einem privaten Kreis mit ein paar Kollegen. Die Aufnahmen davon waren abhanden gekommen. Und so war es mit ihrem ganzen Leben. Übrig geblieben war die Bratsche an der Wand und ein schwerhöriger, vergeßlicher …
    Der Triumphschrei des Alten riß sie aus ihren Gedanken. Giftig schaute sie den Androiden an, der ruhig die Steine wieder aufstellte. Gut und schön, daß die beiden dort spielten, aber was war mit ihr? Er bringt unser Leben durcheinander, dachte sie, und warf ihrem Ehemann, für den sie offenbar nicht mehr zu existieren schien, einen bösen Blick zu – und das am Tag ihrer Goldenen Hochzeit!
    Laut klirrend stellte sie die Tassen zusammen und brachte sie in die Küche. Zum Kochen war es noch zu früh, aber sie konnte ja schon einmal mit dem Abwasch beginnen. Gequält ließ sie heißes Wasser in das Spülbecken laufen, putzte und wienerte alles, bis es wieder glänzte, und machte sich auch gleich verdrossen über die Spüle her. Jetzt haben wir doch diesen Kerl, dachte sie, weshalb tut er das hier nicht, warum stehe ich immer noch hier und arbeite mich tot?
    Hin und wieder hörte sie einen heiseren Ausruf des Alten, die Tür klapperte, sie hörte, wie er im Dielenschrank rumorte, und als sie mit dem Tablett ins Zimmer kam, war das Spielbrett zur Seite geschoben, und sie sah den Androiden an einem Apparat herumfummeln, während ihr Ehemann aufmerksam zuschaute. Sie wußte nicht, was sie tun sollte und setzte sich. »Onno«, schrie sie ihm direkt ins Ohr. »Was sollen wir gleich essen?« Konnten sie jetzt schon nicht mehr tun, was sie selbst wollten?
    Der Alte schaute auf. »Was du willst, Mädchen«, sagte er, »mir schmeckt alles, das weißt du doch.« Nur läßt du es stehen, wenn es dir nicht paßt, dachte sie. Aber er hatte recht, er beschwerte sich nie.
    Was mochte der Androide dort nur aushecken? Sie ging zum Tisch und sah, daß er sich am Hörapparat des Alten zu schaffen machte. Das Ding hatte schon jahrelang im Schrank gelegen, weil es nicht mehr funktionierte. Sie hatten ihn nicht besonders vermißt. Sie kannten einander so gut, daß sie nur wenige Worte miteinander wechselten, und mit diesem Block …
    Sie ärgerte sich schon lange nicht mehr darüber, im Licht der Stehlampe ihre Worte niederschreiben zu müssen, obwohl es natürlich nicht schön war. Wenn Bally den Apparat reparieren könnte! Dann würden sie wieder richtige Gespräche führen können, sich über das I Ging unterhalten, über früher reden – und wenn nur, um ihm hin und wieder eine Gemeinheit zuflüstern zu können.
    Sie zog ihren Stuhl näher und verfolgte aufmerksam die feinen Bewegungen, mit denen der Androide das winzige Werkzeug handhabte. Wo hatte er es her?
    »Die Zelle ist noch in Ordnung«, sagte Bally. »Aber schau, hier hat sich ein Drähtchen gelockert.« Dann nahm er ein zischendes Ding – es sah wie eine Injektionsspritze aus – und befestigte damit das lockere Drähtchen. »So«, sagte er, »das müßte noch jahrelang funktionieren.« Geschickt setzte er die Teile wieder zusammen und überreichte das kleine Gerät ihrem Mann, der ihn halb fassungslos, halb entzückt hinter einem Ohr befestigte.
    »Sag etwas«, sagte der Alte, »sag

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