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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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heftiger, als beabsichtigt.
    »Vielleicht …«
    Sie unterbrach ihn. »Entschuldige, aber ich möchte jetzt nicht weiterreden«; und während er noch schwieg, »vielleicht ein andermal.«
    Sie hängte einfach ein.
    Diffuse Unzufriedenheit machte sich in ihr breit, aber auch der Wunsch, den verborgenen Wurzeln ihres Unbehagens nachzuspüren. Ihr Gesprächspartner hatte sich bemüht, auf sie einzugehen; was konnte sie mehr erwarten? Vielleicht, dachte sie, liegt hierin bereits einer meiner größten Fehler, daß ich mich nur frage, was ich erwarten kann, anstatt, was mir gut tun würde. Fing es nicht schon bei der freundlichen Dame an, mit der sie gerne ein paar Worte gewechselt hätte, die jedoch gerade dies zu verhindern suchte, wie es ihr nun im nachhinein erschien? Wäre da nicht eine nüchterne Hinweistafel ehrlicher gewesen? Wie ein artiges Kind hatte sie die Verfügung geschluckt, daß der Bildschirm leer bleiben würde. Es mochte gute Gründe hierfür geben, doch es wurde einfach verordnet, und sie hatte sich wie selbstverständlich gefügt, hatte den Automatismus des Geschehens nicht einmal bemerkt. Und Christian? Lag es nur am fehlenden Bild, daß der Funke nicht überspringen wollte? Aber verlangte sie nicht zuviel? Was durfte man schon von so einem Gespräch erwarten! Falsch, dachte sie zum zweitenmal, ich stelle schon wieder die falschen Fragen. Er hat sich bemüht, gewiß, die Regeln seines Berufs sicherlich genau beachtend; aber sind es gute Regeln, wenn der eine nur fragt, und der andere nur antwortet? Wenn die Rollen von stark und schwach so einseitig verteilt sind? Brauchen wir nicht alle das Gefühl von Gleichwertigkeit, und gerade dann, wenn wir uns elend fühlen?
    Wer weiß, fragte sie sich, vielleicht gehen ihm jetzt ähnliche Gedanken im Kopf herum, und zu ihrem Erstaunen stellte sie fest, daß sich nicht nur ihr Unbehagen, sondern auch ihre Ängste verflüchtigt hatten.
    Fast übergangslos, während sie sich ausmalte, wie er wohl aussehen könnte, schlief sie ein.
    Leise Musik schlich sich in ihr Bewußtsein, scheinbar unaufdringlich und doch unnachgiebig den Dingen ihre Alltagsmasken überstreifend, unerbittlich lauter werdend. Aufstehen, ins Bad gehen, frühstücken, allmorgendlich das gleiche Ritual. Eingeschliffene Bewegungsabläufe, die den Kopf frei ließen. Aber frei wofür? Meist doch nur für Gedanken an die bevorstehende Arbeit, an das Programm, das längst fertig sein sollte, den Fehler, der sich nicht finden lassen wollte, an das unerfreuliche Gespräch mit dem Vorgesetzten.
    Schon acht Uhr. Es war keine Zeit mehr zu verlieren. Noch immer im Morgenmantel durchquerte sie mit der nachgefüllten Kaffeetasse das Zimmer, stellte sie auf den Arbeitstisch und schaltete die Peripherie ein, als letztes den Computer selbst. Sie bedauerte längst, daß es keinen Grund mehr gab, die Kleidung für den kommenden Tag mit Bedacht auszuwählen, sich schön zu machen, wie sie es früher nannte, obwohl es ihr damals oft lästig gewesen war.
    Ein paar Tastendrücke, und auf dem Schirm erschien das auffordernd blinkende Ready-Zeichen, aber anstatt das halbfertige Programm zu laden, huschten ihre geübten Finger über die Konsole und zauberten aus dem Nichts aufleuchtende Bla-Bla-Silben, die wie trunken über das Sichtfeld torkelten. So, stellte sie befriedigt fest, das nur, damit wir nicht ganz vergessen, wer von uns beiden für wen zu arbeiten hat. Genüßlich die Arme verschränkend betrachtete sie zunehmend erheitert den komischen Silbentanz und begann unwillkürlich zu lachen. Ein Gefühl von Jungsein und Unbeschwertheit stieg in ihr hoch, wie sie es seit Jahren nicht mehr gekannt hatte. Bloß nicht auf die Uhr sehen, es auskosten und festhalten so lange wie irgendmöglich. Weshalb nicht Christian anrufen!
    »Wir freuen uns über Ihren Anruf. Gestatten Sie mir einen kurzen Hinweis …«
    »Ich würde gerne Christian sprechen, Nummer elf, wenn es möglich ist.«
    »… und Sie können wählen, ob Sie mit einem männlichen oder weiblichen Sozialtechniker sprechen möchten …«
    Plötzliche Ernüchterung: Es war nur ein Band, eine vorfabrizierte Konserve und so geschickt gemacht, daß sie es beim ersten Anruf gar nicht bemerkt hatte. Zögernd drückte sie auf M.
    »Guten Tag, hier spricht Nummer siebzehn …«
    »Könnte ich bitte mit Christian sprechen, ich meine mit Nummer elf?«
    »Ich will sehen ob, er gerade frei ist.«
    Sie hielt den Atem an, als könnte sie dadurch auf das Geschehen am anderen

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