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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Bildschirm und ein Tastenfeld. Das Denken zwängte sich in eine unerbittliche Maschinensprache; alle Konzentration verdichtete sich auf die Augen und die Hände. Ein Computer will richtig bedient sein! Welch treffende Doppeldeutigkeit, dachte sie. Zuerst einmal gilt es der Maschine zu gehorchen, bevor sie gehorcht. Programmierer, der zukunftssichere Beruf. Freie Einteilung der Arbeitszeit, am ungestörten Arbeitsplatz im eigenen Zuhause. Humanisierung der Arbeitswelt. Und am Ende zählte man doch zu den Verlierern. Meist saß sie so lange am Gerät, bis nicht nur die Augen schmerzten. Wen kümmerte es schon, wenn man den Auftrag nicht in der normalen Arbeitszeit bewältigte und halbe Nächte mit Kontrolläufen und Fehlersuche zubrachte. Der Computer, Freund und Helfer des Menschen. Hatte er sich nicht längst zum Zuchtmeister gewandelt und nicht nur für jene, die ihn zu bauen und zu programmieren hatten? Unnachsichtig jeden Fehler aufdecken und verbuchen, lautete die Devise. Das Wort ›verzeihen‹ gibt es nicht in der Computersprache. – Mit vehementen Drehungen versuchte sie die unerfreulichen Betrachtungen aus ihrem Kopf zu schütteln, um sich endgültig in eine gehorsame Programmiermaschine zu verwandeln.
    Der Tag hatte nichts Besonderes an sich, abgesehen von der unerträglichen Schwüle. Nur einige kurze Unterbrechungen, um etwas zu essen und ein paar Dinge einzukaufen. Am Abend stand das Programm; es fehlte lediglich ein letzter vollständiger Kontrollauf. Später, entschloß sie sich und wankte benommen zum Bett. Nur ein paar Minuten ausstrecken. Kurz darauf schlief sie ein.
    Es war bereits nach zehn, als sie wieder zu sich kam. Schweißgebadet schreckte sie aus einem schlimmen Traum. Sie öffnete das Fenster, versuchte sich zu erinnern. Der Traum hatte mit Christian zu tun, irgend etwas Schreckliches war ihm widerfahren, der Rest blieb im dunkeln. Drückende Schwüle. Sie ging ins Bad, wollte sich unter der Dusche abkühlen. Um die Vorhänge nicht zuziehen zu müssen, ließ sie das Licht aus. Sie streifte die leichte Kleidung vom Körper, stellte sich unter die Brause, drehte langsam den Hahn auf. Bis auf das Geräusch der Wasserstrahlen und dem gurgelnden Abfluß war nichts zu hören. Ihre Bewegungen verlangsamten sich, vereisten förmlich. Es war ein anderes Gefühl als jene wiederkehrenden nächtlichen Ängste. Es war wie eine Vorahnung, die etwas Bedrohliches ankündigte. Ruckartiges Zudrehen des Hahns, angespanntes Lauschen in die Dunkelheit: bis auf die letzten Wassertropfen nicht das leiseste Geräusch. Lautlos und voller Mühe, bewältigte sie die wenigen Schritte zum Schalter. Helligkeit flammte auf, ungeachtet ihrer Nacktheit. Eigenartigerweise ließ die Beklemmung nur unmerklich nach. Sie griff nach dem Bademantel. Vergaß, sich abzutrocknen.
    Draußen kam Sturm auf. Kurze, heftige Böen zerrten an den ausladenden Ästen der mächtigen Esche vor ihrem Fenster, deren Gezweig und Blätter sich scharfrandig gegen den fahlen Nachthimmel abzeichneten. Dumpfes Donnerrollen, schnell näherkommend, kurz darauf das erste laute Krachen, kurze giftige Schläge in seinem Gefolge und plötzlich eine derart ohrenbetäubende Explosion, zeitgleich mit einer überwältigenden, grell flackernden Lichteruption, daß sie im ersten Moment glaubte, der Blitz sei ins Haus geschlagen. Ebenso urplötzlich herabstürzende Wassermassen, als gelte es, die ausgebrannte Natur mit einem Schlag für die vergangenen Hitzewochen zu entschädigen. Minuten später, fast ebenso abrupt, der Übergang zur Stille, eingebettet in das gleichmäßige Geräusch leise aufklatschender kleiner Regentropfen. Wenn der Schreiner die Hobelspäne sammelt, es weiß niemand, wer seinen Kopf drauflegen wird. Wieder so ein Satz, dachte sie, aus dem Nichts auftauchend und scheinbar ohne jeglichen Bezug. Das Warten auf die Angst war fast noch schlimmer als die Angst selbst. Sie konnte ihn doch nicht schon wieder anrufen; außerdem würde er gar nicht mehr da sein. Warum wollte sie eigentlich mit ihm reden? Waren ihre bisherigen Gespräche nicht eher enttäuschend gewesen? Aber war ein enttäuschendes Gespräch nicht besser, als in die Nacht hineinzuhorchen? Überraschenderweise war er zu erreichen.
    »Gehst du denn überhaupt nicht nach Hause?«
    »O doch«, sagte er.
    »Aber du warst doch schon heute früh da?«
    »Aber nicht heute nachmittag.«
    »Rufen viele in der Nacht an?«
    »Die meisten – und warum rufst du an?«
    »Nur schnell wieder ins

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