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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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irgendwo in der Mitte, steigend oder fallend. Alles war gut.
    Aber nun wurde es wirklich Zeit, sein kleines Frauchen zu wecken.
     
    Originaltitel: »Het geschenk«
    Copyright © 1986 by Thomas Wintner
    (erstmals erschienen in »Ganymedes 10« im Verlag A.W. Bruna & Zoon, Utrecht/Aartselaar)
    Copyright © 1988 der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München
    Aus dem Niederländischen übersetzt von Hildegard Höhr

 
Joern J. Bambeck
Ich werde immer dasein, wenn du mich brauchst
     
    Früher einmal hatten sie Sommernächte auf eine ganz andere Art gefangengenommen. Die stillen Spaziergänge über gemähte Wiesen, das junge Gras unter bloßen Füßen; die köstlichen Düfte, die sie so gerne mit geschlossenen Augen erkundet hatte; das weiche Mondlicht, das allem Raum gab, den inneren wie den äußeren Dingen; und vor allem die lauen Lüfte, die ihren Körper umschmeichelten, ihn zum Vibrieren brachten und mit unbestimmten Sehnsüchten erfüllten. Früher einmal.
    Die Nächte waren die gleichen geblieben, und doch hatte sich alles verändert. Heute war es, als trieben sie ein böses Spiel mit ihr. Nurmehr selten, daß sie unbehelligt blieb, den kurzen Schlaf von schlimmen Träumen zerrissen, dennoch froh über jede Stunde, die sie dem Wachsein abringen konnte; denn meist lag sie mit offenen Augen, wartend, ob auch diese Nacht ihre Schlingen um sie legen würde, gleich einem unsichtbaren Harnisch, bis sie keuchend nach Luft rang. Und kein Zeichen, daß sich die Dinge wieder ändern würden; unwiderstehlich hingegen das Gefühl von Ausweglosigkeit wie der Zug der Lemminge zum Meer. Angstwellen, die aus dem Nichts kamen, grundlos, unerklärlich und unsinnig wie die Unfähigkeit, das Atmen einzustellen. Aber Menschen sind keine Lemminge, sagte sie sich, Menschen können etwas tun, doch sie wußte nicht, was.
    Erinnerung an einen Satz, irgendwo einmal gelesen: »Vielleicht werde ich von den Fingerspitzen aufwärts allmählich zu Holz.« Menschen sind keine Lemminge, dachte sie nochmals, ich will es zumindest versuchen. Heute hieß es Psychohygienisches Center, früher nannte man es Telefonseelsorge. Beides Bezeichnungen, die sie unangenehm berührten. Wenn ich nicht gleich anrufe, werde ich es womöglich nie tun. Die Anzeige sprang auf 13 Minuten nach Mitternacht. Sollte sie nicht lieber warten, bis sich die 13 in eine 14 verwandelte? Sie wartete nicht.
    Das Gesicht einer Frau, vielleicht zwischen 40 und 45, erschien auf dem Bildschirm des Videophons: »Wir freuen uns über Ihren Anruf. Gestatten Sie mir einen kurzen Hinweis, bevor ich Sie verbinde. Es steht Ihnen frei, Ihre Personalnummer anzugeben oder nicht, und Sie können wählen, ob Sie mit einem männlichen oder weiblichen Sozialtechniker sprechen möchten. Bitte haben Sie Verständnis dafür, daß wir unseren Bildkanal während des Gesprächs nicht benutzen dürfen. Falls Sie mit einem Mann sprechen wollen, drücken Sie bitte die M-Taste, falls Sie mit einer Frau sprechen möchten, bitte die F-Taste.« Das Gesicht mit dem freundlichen Lächeln verschwand hinter einem eingeblendeten PHC-Emblem.
    Wollte sie überhaupt noch mit jemandem reden? Und was sollte sie mit ihrer Personalnummer? Ohne zu überlegen, drückte sie auf M. Der Bildschirm blieb leer.
    »Guten Abend«, sagte eine warme sanfte Männerstimme, »hier spricht Nummer elf.« Ich möchte mit keiner Nummer sprechen, dachte sie. »Du kannst mich aber auch Christian nennen, oder nur Chris. Und wie darf ich dich ansprechen?«
    Verständlich, daß er sie sofort duzte, dennoch störte es sie. »Ich heiße Diane.«
    »Ein schöner Name, und was bedrückt dich, Diane?«
    Was sollte sie sagen? »Ich weiß nicht recht …«
    Kurzes Schweigen. »Hattest du schon geschlafen, bevor …?«
    »Nein.«
    »Erzähl mir, warum du nicht schlafen konntest.«
    »Ich …« – als ob das so einfach wäre, »ich hatte Angst.« Gleich wird er mich fragen wovor.
    »Hast du öfters Angst?«
    »Fast jede Nacht.«
    »Und wie ist das, wenn du Angst hast?«
    »Hast du denn nie Angst – Christian?«
    Erneutes Zögern. »Manchmal, aber vielleicht anders als du.«
    Sein Ausweichen enttäuschte sie. »Ich weiß nicht, ob man diese Gefühle jemandem beschreiben kann, der sie nicht selbst kennt.«
    »Wie fühlst du dich jetzt?«
    Etwas sperrte sich in ihr.
    Nach längerer Pause. »Hab’ ich dich verletzt?«
    »Nein«, aber anstatt von ihrer Enttäuschung zu sprechen, »es ist anders.«
    »Anders?«
    »Ja, anders.« Es kam viel

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