Wassermelone: Roman (German Edition)
Mannes gefangen ist – und was für eines Mannes!
»Ich weiß nicht, welchen Eindruck du von mir hast, Claire«, fuhr er fort und riss mich aus meinen Spekulationen über sein Geschlecht, »aber offensichtlich ist es nicht der, den ich mir erhofft hatte.«
»Nein … Adam…« Mit schwacher Stimme erhob ich Einspruch. Ich hatte so viel zu sagen und wusste nicht, wo anfangen.
»Hör mir eine Minute zu«, sagte er. »Einverstanden?«
Das klang so ernst und zugleich so jungenhaft – wie konnte ich da widerstehen?
»Klar«, sagte ich.
»Ich bin mit vielen Frauen gut befreundet, aber ich verliebe mich nicht oft. Ehrlich gesagt nur höchst selten. Jedenfalls verglichen mit den anderen aus meinem Studienjahr. Aber womöglich sind die ja auch nur besonders aktiv.«
»Das ist in Ordnung«, sagte ich. Es wäre mir lieb gewesen, wenn er nichts mehr gesagt hätte. Du brauchst mir überhaupt nichts zu erklären, wollte ich ihm sagen.
Ich hatte herausbekommen, dass er nicht Helens Freund war, und das war schon eine ganze Menge. Das Theater, das ich aufgeführt hatte, und meine Vorwürfe waren mir jetzt peinlich. Ich wollte die ganze Sache einfach vergessen. Der arme Junge! Da kannte er mich erst ein paar Tage, und schon waren wir uns mehrere Male in die Haare geraten. Was um Himmels willen brachte ihn auf den Gedanken, dass ich der Mühe wert war?
Aber bevor ich darüber nachdenken konnte, tauchte mein Vater mit finsterer Miene in der Diele auf.
»Claire!«, brüllte er. »Leg auf. SOFORT!«
»Musst du aufhören?«, fragte Adam.
»Ja«, sagte ich. »Tut mir leid.«
Ich wollte das Gespräch erst beenden, wenn ich wusste, dass alles in Ordnung war. Dass Adam nicht sauer auf mich war, weil ich dachte, er sei ein gewohnheitsmäßiger Don Juan.
Nachdem er nun nicht in Helen verliebt war, hätte mich ein Hinweis von ihm nicht gestört, dass möglicherweise ich als Anwärterin in dieser Richtung in Frage käme. Mit den Worten meiner Mutter gesagt: Ich wollte es auf einem Silbertablett serviert bekommen.
»Ach, fast hätte ich vergessen, warum ich angerufen habe«, sagte er.
»Nämlich?«, fragte ich.
Sag mir, dass du mich gern hast. Nur zu, nur zu, drängte ich ihn stumm.
»Um elf gibt’s im Fernsehen ’nen guten Film. Ich bin sicher, dass er dir gefallen würde. Du solltest ihn dir ansehen, wenn du nicht zu müde bist.«
»Oh«, sagte ich. Damit hatte er mir den Wind endgültig aus den Segeln genommen. »Vielen Dank.«
Ein blöder Film! Mal ehrlich!
»Bis bald«, sagte er.
Nein, warte, wollte ich rufen, leg noch nicht auf. Sprich noch eine Minute mit mir. Gib mir deine Nummer, damit ich dich anrufen kann. Darf ich dich morgen sehen? Ach, was heißt morgen – darf ich dich heute sehen?
»Claire«, donnerte mein Vater aus dem Wohnzimmer.
»Ja, dann tschüs«, sagte ich und legte auf. Ich fühlte mich unter anderem vollkommen erschöpft.
Im selben Augenblick, als ich auflegte, gab es ein Gedränge an der Wohnzimmertür. Mein Vater und Helen stritten sich darum, wer zuerst ans Telefon durfte.
Dad wollte Tante Julia anrufen, um zu sehen, ob die Flammenhölle unter Kontrolle war. Helen hatte ihre eigenen Absichten.
»Ich muss unbedingt Anthony anrufen«, rief sie. »Er soll mich am Dienstag mit nach Belfast nehmen.«
»Julias Feuer ist dringender«, sagte Dad mit Nachdruck.
»Soll ihr Haus doch abbrennen. Das wär der alten Säuferin eine Lehre.«
Menschenfreundlich bis zum bitteren Ende, das war meine Schwester.
Ich verließ das Schlachtfeld, ging nach oben, stellte Kates Bettchen in Mums Zimmer und machte mich bereit, mir dort den von Adam empfohlenen Film auf dem kleinen Fernseher anzusehen. Es war das Mindeste, was ich tun konnte, nachdem ich so gemein zu ihm gewesen war.
Außerdem kann ich dann mit ihm über den Film sprechen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe, dachte ich.
Vorausgesetzt, es gibt ein nächstes Mal.
18
W ährend ich die Alkoholische Höllenmutter gewesen war (um ganz genau zu sein, auch die Alkoholische Höllentochter und die Alkoholische Höllenschwester), war die Zeit zum Stillstand gekommen. Jetzt aber, da ich wieder angefangen hatte zu leben, war sie munter vorangetrabt und galoppierte schon, ehe ich es richtig gemerkt hatte.
Die Tage vergingen wie im Fluge, so wie im Film, wenn der Regisseur darstellen will, dass die Zeit rasch vergeht. Dabei blättert der Wind einen Kalender blitzschnell durch, reißt die Blätter ab und verstreut sie überallhin. Untergemischtes braunes Laub
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