Wassermelone: Roman (German Edition)
weist auf den Herbst hin und eine Handvoll Schneeflocken auf den Anbruch des Winters.
Das Wochenende war vorüber, bevor ich es richtig gemerkt hatte. Dabei spielten für eine Nichtstuerin wie mich Dinge wie der Unterschied zwischen Wochenende und Arbeitswoche nicht die geringste Rolle. Jeder Tag war ein Feiertag, und so weiter.
Dann war mit einem Mal Montagmorgen. James würde aus der Karibik oder von Mustique zurückkommen. Oder von einer kleinen Insel in Privatbesitz ganz dicht an der Küste des Himmels. Oder von wo auch immer, der treulose Mistkerl. Also musste ich ihn anrufen.
Es ließ mich aber recht kalt. Was sein muss, muss sein. Natürlich fiel es mir nicht schwer, wegen James kalt zu sein, wo ich mir wegen Adam so große Sorgen machte. Ziemlich mühsam, sich den Kopf über beide gleichzeitig zu zerbrechen.
Übertragung der Zuneigung et cetera, und ein großer Applaus für Dr. Freud.
Aber bevor ich dazu kam, James anzurufen, hielt der Montagmorgen noch ein anderes freudiges Ereignis für mich bereit. Die Nachuntersuchung beim Arzt, die sechs Wochen nach der Entbindung fällig war. Der Spaß schien in meinem Leben überhaupt nicht mehr aufzuhören. Ein ziemlich symbolisches Ereignis, gewissermaßen die Wasserscheide.
In gewisser Hinsicht eine Anerkennung dessen, dass die Geburt erfolgreich verlaufen war. Ungefähr wie der große Empfang nach einer Filmpremiere. Nur dass die Schauspieler und die anderen Beteiligten bei diesem Empfang ihre Beine nicht in Steigbügel hängen und sich von fremden Männern an intimen Stellen untersuchen lassen müssen. Es sei denn, sie wollen das unbedingt.
Auch Kate hatte einen Termin, in der Kinderklinik.
Also fuhren wir beide mit dem Auto los.
Ich war stolz auf mich. Jeder Tag, an dem ich es fertigbrachte aufzustehen und, was zu tun war, aus eigener Kraft zu bewältigen, war nach wie vor ein kleines Wunder. Das Leben begann, wie die damit verbundene Verantwortung und seine Pflichten, allmählich wieder Freude zu machen.
Kate war schon einige Male in der Klinik gewesen, für sie war das also reine Routine. Ich hingegen war nicht auf die Schreiorgie eingestellt, die uns empfing. Das Wartezimmer schien mehrere tausend brüllender Säuglinge mit vor Überforderung verzweifelten Müttern zu enthalten, wobei manche Mütter lauter schrien als ihre Kinder.
»Wenn er doch nur aufhören würde«, sagte eine Frau unter Tränen, ohne sich dabei an jemand Bestimmten zu richten. »Nur fünf Minuten.«
Großer Gott, dachte ich entsetzt und merkte plötzlich, wie viel Glück ich hatte. Nicht nur schien Kate ein geradezu ungewöhnlich stilles Kind zu sein, ich hatte darüber hinaus Mum, Dad und, vermute ich, Helen und Anna, die sich die Aufgabe mit mir teilten, sich um sie zu kümmern.
Mum und Dad waren mit ihr zu den Kontrolluntersuchungen gegangen, als ich mich aufgeführt hatte wie der Leibhaftige.
Meine Güte, ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich mich jetzt schämte. Wie hatte ich mein wundervolles Kind so schrecklich vernachlässigen können? Es sollte nie wieder vorkommen.
Niemand sollte je wieder meine Persönlichkeit so untergraben wie James. Mir wurde übel bei dem Gedanken, dass ich mich nicht so um Kate kümmerte wie nötig, nur weil ich mich nach einem Mann verzehrte.
Kate kam vor mir an die Reihe. Ich brachte sie in ihrer Trageschale ins Untersuchungszimmer. Die Schwester war eine bildhübsche rothaarige junge Frau aus Galway. Warum sehen Schwestern eigentlich immer so knackig aus?
Bestimmt gibt es darüber eine alte Legende. Vor vielen, vielen Jahren lebte einmal ein Stamm von Frauen, die ausnehmend schön waren. Die Männer waren ganz verrückt nach ihnen. Weil sich alle anderen Frauen im Vergleich mit ihnen unansehnlich und unzulänglich fanden, kam es zu allerlei Aufruhr und Gewalttätigkeiten. Familien wurden zerstört, weil sich glücklich verheiratete Männer in eins dieser Geschöpfe verliebten. Frauen aus den nicht so gut aussehenden Stämmen brachten sich um, weil sie keinerlei Aussicht hatten, mit diesen Sirenen zu konkurrieren. Irgendetwas musste geschehen.
Also beschloss Gott, dass alle gutaussehenden Frauen Krankenschwestern werden und ganz ausnehmend abscheuliche Schnürschuhe und widerliche Kittel tragen mussten, die wegen ihres Schnitts den Hintern jener Frauen überdimensional erscheinen ließen, was ihre Anziehungskraft beträchtlich verminderte.
Bis auf den heutigen Tag müssen gutaussehende Frauen Krankenschwestern werden, damit die
Weitere Kostenlose Bücher