Wassermelone: Roman (German Edition)
scheußliche Tracht ihre Schönheit verhüllt.
Wie allerdings diese von mir erdachte kleine Geschichte zu Supermodels passt, denen selbst alles entstellende Kleider stehen, kann ich nicht erklären. Wie auch immer.
Obwohl die Schwester die Tür hinter uns schloss, war der Lärm der brüllenden Kinder im Wartezimmer nach wie vor einwandfrei zu hören, und dazwischen immer wieder das jämmerliche »Nur fünf Minuten.«
»Raubt Ihnen der Krach da draußen eigentlich nicht den Verstand?«, fragte ich neugierig.
»Überhaupt nicht«, sagte sie. »Ich hör es schon gar nicht mehr.«
Sie machte sich daran, Kate zu untersuchen. Kate war brav und weinte nicht einmal. Ich war wirklich stolz auf sie.
Am liebsten hätte ich die Tür aufgemacht und wie eine Lehrerin zu allen Kindern draußen gesagt: »Seht ihr, so müsst ihr euch benehmen. Schaut euch dies mustergültige kleine Mädchen hier gut an und macht’s ihr nach.«
Ich sah zu, wie die Schwester Kates Reaktionen überprüfte.
Es geschähe mir recht, wenn irgendetwas mit ihr ganz und gar nicht stimmte, dachte ich voll Schrecken. Aber nein, alles war in bester Ordnung. Der schuldbewusste Teil in mir war fast enttäuscht.
»Sie nimmt gut zu«, sagte die Schwester.
»Danke«, strahlte ich voll Stolz.
»Sie ist vollkommen gesund«, lächelte die Schwester.
»Danke«, sagte ich wieder.
Als ich die Tür öffnete, um das Untersuchungszimmer zu verlassen, brandete mir eine neue Welle von Gekreisch entgegen. Wir kämpften uns durch die Schar rotgesichtiger, brüllender Kinder. Soweit ich mitbekam, sollten einige von ihnen gegen Tuberkulose geimpft werden, was wohl zur allgemeinen Unruhe beitrug.
Mühselig bahnte ich mir, Kate in ihrer Trageschale vor mir hertragend, den Weg durch den ohrenbetäubenden Lärm der Menge. Als ich dankbar die Tür zwischen mir und dem Krach schloss, hörte ich noch einmal die arme Frau jammern: »Ich wär auch schon mit drei Minuten zufrieden.«
Dann mussten wir eine Weile warten, bis ich an die Reihe kam.
Ich las in einer Frauenzeitschrift, die aus der Zeit der Jahrhundertwende stammen musste (»Krinolinen sind diesen Herbst eindeutig out «). Kate schlief ein bisschen. Sie war richtig brav.
Schließlich wurde ich aufgerufen, und wir gingen hinein.
Der Arzt war ein freundlicher, kauziger älterer Herr. Grauer Anzug, graue Haare, umgänglich.
»Hallo. Ah ja, Claire, hm, Claire und die kleine äh, Catherine«, las er von der Karteikarte auf seinem Schreibtisch ab. »Kommen Sie rein und nehmen Sie Platz.«
Nach einem Augenblick sah er auf den Stuhl ihm gegenüber, und als er mich dort nicht sah, wanderten seine Blicke auf der Suche nach mir besorgt durch den Raum.
Ich hatte Kates Trageschale auf den Boden gestellt, meinen Slip ausgezogen, war mit Affenzahn auf den Gynäkologenstuhl geklettert und hatte die Füße in die Halterungen gelegt. Gelernt ist gelernt.
Wenn ich das nächste Mal zum Arzt muss, ganz gleich, ob mit Ohrenschmerzen oder verstauchtem Handgelenk, es würde mir schwerfallen, nicht den Slip auszuziehen und auf den Stuhl zu klettern.
Der Arzt tat, was er tun musste, wobei er sich auch meines alten Freundes bediente, des Gummihandschuhs mit Gleitmittel. Tut mir leid, wenn das ekelhaft klingt. Ich kann Ihre Empfindungen wirklich nachvollziehen.
Es gab eine Zeit, da wäre ich schon bei der bloßen Vorstellung in Ohnmacht gefallen, dass mir jemand einen Abstrich machen wollte. Jetzt, nachdem ich Schwangerschaft und Entbindung hinter mir habe, könnte ich mir wohl unter örtlicher Betäubung die Gebärmutter herausnehmen lassen und immer noch munter mit dem Chirurgen über das Fernsehprogramm des Vorabends plaudern. Wozu groß eine Narkose machen?
Aber ich vergesse, dass nicht alle meine abhärtenden Erlebnisse teilen.
»Wunderbar verheilt«, sagte er. So, als hätte ich eine großartige Leistung vollbracht.
»Danke«, sagte ich begeistert und lächelte zwischen meinen Beinen zu ihm hinauf. Wie im ersten Schuljahr, wenn ich alle Rechenaufgaben richtig gelöst hatte.
»Ja, keinerlei Komplikationen«, fuhr er fort. »Haben die Blutungen vollständig aufgehört?«
(Tut mir leid, aber es dauert nicht mehr lange.)
»Ja, etwa vor einer Woche«, erklärte ich ihm.
»Auch die Naht ist vollständig verheilt«, sagte er, während er sich alles genau ansah und weiter herummachte.
»Danke.« Ich lächelte erneut.
»Gut, Sie können jetzt aufstehen«, sagte er.
Während ich mich anzog, fragte er: »Ist sonst alles in
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