Wassermelone: Roman (German Edition)
so dick angeschwollen waren, dass ich sie nicht tragen konnte. Ich rammte sie mir auf meine Finger. Sie passten so grade.
Ich sah, wie mir Judy einen sonderbaren Blick zuwarf.
»Er ist nach wie vor mein Mann, weißt du«, sagte ich trotzig. »Das heißt, ich bin immer noch verheiratet!«
»Ich hab kein Wort gesagt«, sagte sie mit Unschuldsmiene.
Judy und ich nahmen den Aufzug nach unten, wobei wir mit Plastiktüten, Reisetaschen, Handtaschen und einem zwei Tage alten Kind in seiner Trageschale jonglieren mussten.
Auch das sagt einem niemand, wenn man ein Kind bekommt! In den Handbüchern müsste etwas in der Art stehen wie: »Es ist unerlässlich, dass Ihr Mann Sie während der ersten Monate nach der Geburt des Kindes nicht verlässt, da Sie sonst alles selbst tragen müssen.«
Gerade als Judy das ganze Gepäck in das Taxi wuchtete, sah ich voll Entsetzen Denises Mann die Straße entlangkommen. Wahrscheinlich war er auf dem Heimweg von der Arbeit.
»O Gott«, sagte ich voll böser Vorahnungen.
»Was ist?«, fragte Judy beunruhigt. Ihr Gesicht war von der Anstrengung rot und schweißbedeckt.
»Der Mann von Denise«, murmelte ich.
»Ja und?«, fragte sie laut.
Ich fürchtete, dass er mir irgendeine schreckliche und erregte Szene machen würde. Wie gesagt, er war Italiener. Vielleicht hatte ich auch Angst, dass er irgendeine Art von Bündnis zwischen mir und ihm vorschlagen wollte, so nach dem Motto ›Der Feind meines Feindes ist mein Freund‹. Das wollte ich auf keinen Fall .
Unsere Blicke kreuzten sich, und in meiner Angst und meinem Schuldbewusstsein wusste ich genau, was er dachte: Es ist deine Schuld. Wenn du so anziehend gewesen wärest wie meine Denise, wär dein Mann wahrscheinlich bei dir geblieben und ich wäre nach wie vor glücklich verheiratet. Aber nein, du abstoßende dicke Kuh musstest natürlich alles verderben.
Schön, dachte ich. Das kann ich auch.
Ich sah ihn unverwandt an und schickte ihm seine Gedankenbotschaft zurück. Hättest du kein männermordendes, Ehen zerstörendes Flittchen geheiratet, sondern eine nette, anständige junge Frau, wäre die ganze Schweinerei nicht passiert, und uns allen ginge es besser.
Wahrscheinlich tat ich dem armen Mann damit ziemlich unrecht. Ohne ein Wort zu sagen, sah er mich traurig und vorwurfsvoll an.
Ich umarmte Judy zum Abschied. Beide weinten wir. Meine Kleine weinte ausnahmsweise nicht.
»Heathrow, Terminal eins«, sagte ich dem Taxifahrer mit tränenerstickter Stimme, und wir fuhren davon. Mr. Andrucetti sah uns trübsinnig nach.
Während ich mich durch den Mittelgang der Aer-Lingus-Maschine vorarbeitete, stieß ich mit meiner Reisetasche voller Babysachen mehrere Fluggäste an, die wütend darauf reagierten. Als ich schließlich meinen Platz gefunden hatte, stand ein Mann auf, um mir beim Verstauen meiner Taschen zu helfen. Während ich ihm dankbar zulächelte, fragte ich mich automatisch, ob ich ihm gefiele.
Schrecklich. Zu den wenigen Dingen, die mir am Verheiratetsein wirklich gefielen, gehörte, dass ich einige Jahre hindurch dem widerlichen Karussell entflohen war, auf dem es darum ging, den richtigen Mann kennenzulernen, festzustellen, dass er schon verheiratet war, mit einem anderen Mann zusammenlebte, von pathologischem Geiz war, Bücher von Jeffrey Archer las oder einen Orgasmus ausschließlich dann zustande brachte, wenn er die Frau, mit der er zusammen war, ›Mutter‹ nennen durfte. Oder irgendeinen der anderen tausend Charaktermängel hatte, die man nicht sofort erkennt, wenn man einem Menschen die Hand schüttelt, ihm lächelnd tief in die Augen sieht und ein warmes, kribbelndes Gefühl im Magen empfindet, das absolut nichts mit den rezeptfreien Mitteln zu tun hat, die man früher abends eingenommen hatte oder nicht, sodass man bei sich dachte: »He, der könnte es sein.«
Jetzt war ich wieder in der Lage, in der für eine Frau jeder Mann als Freund in Frage kommt. Ich befand mich wieder in einer Welt, in der achthundert ausnehmend schöne Frauen auf jeden normalen Mann kommen – die wirklich abscheulichen Männer noch nicht abgerechnet.
Ich musterte den hilfsbereiten Zeitgenossen aufmerksam. Er sah nicht einmal gut aus. Wahrscheinlich war er schwul. Oder er war, da es sich um einen Flug der irischen Luftfahrtgesellschaft handelte, mit noch größerer Wahrscheinlichkeit Priester.
Ich meinerseits war alles andere als ein Hauptgewinn: eine verlassene Ehefrau mit einem zwei Tage alten Säugling und dem Selbstwertgefühl
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