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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Dazu braucht man keinen Kristall.«
    Ich sah Helen an. Fast hätte mich der Schlag getroffen.
    Zwar gehörte sie zu den nervenaufreibendsten Idioten, die ich je kennengelernt habe, aber in Männerkunde machte ihr so schnell keine was vor, das musste ihr der Neid lassen.
    Ich nahm den Kristall trotzdem. Man kann nie wissen.
    Ich musste eine Weile allein sein. Solange meine Familie um mich herum war, konnte ich keinen klaren Gedanken fassen. Ich musste innerlich zur Ruhe kommen, bevor ich bereit war, mit James zu sprechen.
    Ich beschloss, Laura anzurufen. Sie würde mir sagen, was ich zu tun hatte.
    »Laura«, sagte ich mit zitternder Stimme, als sie sich meldete.
    »Oh, Claire«, platzte sie heraus. »Ich wollte dich gerade anrufen. Weißt du was?«
    Das ist doch mein Text , dachte ich.
    »Was?«, fragte ich.
    »Der kleine Mistkerl Adrian hat mir den Laufpass gegeben.« Adrian – ihr neunzehnjähriger Kunststudent.
    »Was?«, fragte ich erneut.
    »Ja«, sagte sie mit Tränen in der Stimme. »Soll man das für möglich halten?«
    »Aber ich dachte, du machst dir nichts aus ihm?«, sagte ich überrascht.
    »Dachte ich auch«, schluchzte sie. »Und warte nur, bis du alles gehört hast! Rate mal, warum er mich sitzenlässt.«
    »Warum?«, fragte ich und überlegte, woran das liegen mochte. Waren ihr die Socken ausgegangen?
    »Weil er eine andere kennengelernt hat«, erklärte Laura. »Und weißt du, wie alt die ist?«
    »Dreizehn?«, riet ich aufs Geratewohl.
    »Nein!«, schrie sie. »Siebenunddreißig, verdammt noch mal!«
    »Allmächtiger!«, sagte ich.
    Ich war entsetzt.
    »Ja«, sagte sie, kaum imstande zu sprechen, weil sie so sehr weinte. »Er sagt, ich bin unreif.«
    »Der kleine Scheißer.«
    »Es sagt, er braucht einen Menschen, dem die wesentlichen Dinge am Herzen liegen.«
    »Eine Unverfrorenheit! «
    »Und ich hatte ihm gerade den Gefallen getan, mit ihm auszugehen. Da hat er mich doch tatsächlich einfach sitzenlassen«, schluchzte sie. »Und ich hab keine einzige Socke mehr. Außerdem werd ich nie wieder wissen, welche Gruppe in den Charts ist.«
    »Wirklich schlimm«, sagte ich und schüttelte gottergeben den Kopf.
    »Ich muss jetzt gehen«, sagte sie mit tragischer Stimme. »Ich komme sonst zu spät zur Arbeit. Ich rede später mit dir.« Dann legte sie auf.
    Was soll man da sagen? Wahrscheinlich hatte sie angenommen, ich riefe sie an, um über meine Nacht der Leidenschaft mit Adam zu berichten. Sie ahnte nichts von dem großen Drama, das inzwischen auf dem Plan stand.
    Ich saß da und starrte einige Sekunden lang das Telefon unschlüssig an. Wen sollte ich anrufen? Niemanden, beschloss ich.
    Ich würde versuchen, allein damit fertigzuwerden. Wenn ich mit meinem eigenen Leben nicht fertigwurde, durfte ich das auch von keinem anderen erwarten.
    Ich duschte, wusch mir die Haare und ging wieder in mein Zimmer, wo ein unverständlicher Streit zwischen Anna, Helen (natürlich) und Mum im Gange war.
    Alle drei schrien durcheinander. Von Kate in ihrem Bettchen nahmen sie keinerlei Notiz.
    »Ich hab keine Grimasse geschnitten«, sagte Anna mit so viel Nachdruck, wie sie konnte. Was aber nicht besonders viel war.
    »Hast du wohl«, sagte Helen.
    »Es war keine Grimasse«, sagte meine Mutter und versuchte, die Wogen zu glätten, die in der Tat außerordentlich hoch schlugen. »Es war eher ein Blick.«
    Das Stimmengewirr hörte schlagartig auf, als ich den Raum betrat. Alle drei sahen mich erwartungsvoll an.
    Es schien, als hätten sie beschlossen, ihre Privatfehde zu begraben und sich mit mir gegen den gemeinsamen Feind James zusammenzuschließen. Sie liefen hierhin und dorthin, suchten Kleidungsstücke zusammen und putzten mich heraus.
    »Du musst schön aussehen«, sagte Anna.
    »Ja«, stimmte Helen zu. »Aber so, als hättest du dir keine Mühe damit gegeben, sondern einfach irgendwelche Klamotten angezogen, die dir in die Finger gefallen sind.«
    »Aber er ruft mich doch nur um zehn Uhr an«, erinnerte ich sie. »Von einem Besuch hat er nichts gesagt.«
    »Stimmt«, sagte meine Mutter. »Aber er ist bestimmt nicht extra nach Dublin gekommen, um dich anzurufen. Das hätte er auch von London aus tun können.« Damit hatte sie recht.
    »Gut«, sagte ich zu Anna und Helen. »In dem Fall macht mich schön.«
    »Wir wollten dir Klamotten leihen und dein Make-up machen«, sagte Helen. »Davon, dass wir Wunder wirken können, war keine Rede.« Aber sie lächelte dabei.
    Schließlich einigten wir uns darauf, dass ich

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