Wassermelone: Roman (German Edition)
uns Frauen klare Anweisungen darüber geben, wie oft wir in einem Satz das Wort »Schweinehund« verwenden dürfen, wann es als unhöflich gilt, keine körperliche Gewalt anzuwenden, und so weiter.
Wenn der Freund/Ehemann/Kerl beispielsweise nach einem besonders wichtigen Fußballspiel einfach für ein paar Tage verschwunden war und gerade grün im Gesicht, unrasiert und ganz abgerissen ins traute Heim zurückgekehrt ist, wäre die angemessene Begrüßung: »Wo zum Teufel hast du die letzten drei Tage gesteckt, du besoffener, egoistischer Drecksack?« Da aber der bewusste Ratgeber noch nicht geschrieben war, musste ich mich auf meinen Instinkt verlassen.
»Wie geht’s dir?«, fragte er. Als ob dich das interessierte , dachte ich.
»Ganz gut«, sagte ich höflich. Verlegenes Schweigen antwortete mir.
»Oh … und dir?«, fügte ich rasch hinzu. Ehrlich, wo waren meine Manieren? Muss man sich da wundern, dass er mich verlassen hatte?
»Hm«, gab er nachdenklich zur Antwort. »Auch ganz gut.« Aufgeblasener Saftsack, dachte ich.
»Ich bin in Dublin«, fuhr er mit unbeteiligter Stimme fort.
»Ich weiß«, sagte ich schroff. »Meine Mutter hat erwähnt, dass du gestern abend angerufen hast.«
»Ja, daran zweifle ich nicht«, sagte er mit einem Anflug von Ironie. Er war auf keinen Fall ein Dummkopf. Ein Schweinehund: ja, aber keinesfalls ein Dummkopf.
»Wo wohnst du?«, fragte ich.
James nannte irgendeine Pension mitten in der Stadt. In einer ziemlich üblen Gegend. Das entsprach ganz und gar nicht seinen Gewohnheiten. Er pflegte eher in vornehmen Hotels abzusteigen, wie sie von Geschäftsreisenden bevorzugt werden. Mit Wechselstube und kleinen Läden im Foyer, in denen man lackierte Schwarzdorn-Spazierstöcke und Kobolde in Blechdosen kaufen kann. Offenbar war er nicht geschäftlich unterwegs, denn sonst würde er auf Spesen reisen und hätte sich eine deutlich bessere und teurere Unterkunft geleistet. Falls er sich aber nicht geschäftlich in Dublin aufhielt – warum war er dann gekommen?
»Was kann ich für dich tun?«, fragte ich, ein wenig giftig. Er war nicht der Einzige, der ironisch sein konnte.
Der Klang meiner Stimme sollte ihm klarmachen, dass ich nicht im Traum daran dachte, ihm auch nur den kleinen Finger zu reichen.
»Was du für mich tun kannst, Claire?«, sagte er. »Dich mit mir treffen. Tust du das?«
»Selbstverständlich«, sagte ich folgsam. Wie könnte ich dir sonst alle Knochen brechen?, dachte ich.
»Tatsächlich?«, fragte er. Es klang überrascht. So als hätte er mit einer Art Tauziehen gerechnet.
»Aber sicher.« Ich lachte leise. »Was ist daran so erstaunlich?« Sobald ich dir alle Knochen im Leibe gebrochen habe, schneid ich dir den Schwanz ab und steck ihn dir in den Mund. Das geht ja wohl auf keinen Fall am Telefon, oder?, dachte ich.
»Schon gut … äh, nichts. Es ist … äh … großartig«, sagte er. Er wirkte immer noch überrascht. Offensichtlich hatte er damit gerechnet, dass ich mich weigern würde, ihn zu sehen. Das könnte den einschmeichelnden Ton und die Überraschung angesichts meiner gelassenen Zustimmung zu seinem Vorschlag erklären.
Aber ehrlich, was hätte ich damit gewonnen, wenn ich mich geweigert hätte, ihn zu sehen?
Schließlich wollte ich ein paar Fragen beantwortet haben. Beispielsweise:Warum liebst du mich nicht mehr? Und: Wie viel Geld wirst du mir für Kate geben?
Wie könnten wir sonst unsere jeweilige rechtliche Position und unsere Beziehung zu Kate regeln, wenn wir uns nicht trafen, um darüber zu reden?
Vielleicht hatte er erwartet, mich völlig am Boden zerstört vorzufinden. Aber … He! … Ich war nicht am Boden zerstört, was?
Ganz gleich, von welcher Seite ich die Sache betrachtete, ich konnte nicht bestreiten, dass ich mich deutlich besser fühlte.
Sonderbar! Wann war das geschehen? Sie wissen ja, wie das ist, wenn eine Beziehung in die Brüche geht, alle Freunde zusammenkommen und lästige Sprüche klopfen wie: »Andere Mütter haben auch schöne Söhne« und: »Du wärest bei ihm nie glücklich gewesen.« Und wenn sie dann den Spruch auspacken: »Zeit heilt Wunden«, bemühen Sie sich unbedingt, ihnen kein blaues Auge zu schlagen, sosehr Ihnen danach sein mag. Es stimmt tatsächlich. Ich war der lebende Beweis dafür.
Die einzige Schwierigkeit damit, dass die Zeit Wunden heilt, besteht darin, dass es eine Weile dauert. So wirksam dies Mittel ist, es nützt denen herzlich wenig, die in Eile sind.
Vermutlich hatte die Sache
Weitere Kostenlose Bücher