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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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mit Adam dem Prozess des Zumir-selbst-Findens ebenfalls nicht geschadet. Aber ich musste meine Gedanken in die Gegenwart zurückholen.
    »Wo wollen wir uns treffen?«, fragte James.
    »Warum kommst du nicht zu uns ins Haus?«, schlug ich vor. Wenn schon nicht nach meinen Regeln gespielt werden sollte, wollte ich ein Heim- und kein Auswärtsspiel.
    »Du kannst dir ein Taxi nehmen oder, wenn dir das lieber ist, mit dem Bus fahren. In dem Fall sag dem Schaffner, dass du am Kreisverkehr ausstei …«
    »Claire!«, fiel er mir ins Wort und lachte über meine Dummheit. »Ich war schon oft bei euch zu Hause. Ich weiß, wie ich da hinkomme.«
    »Ach natürlich«, sagte ich sanft.
    Das war mir klar, aber ich hatte der Versuchung nicht widerstehen können, ihn wie einen Fremden zu behandeln, ihm zu zeigen, dass er nicht mehr dazugehörte.
    »Sagen wir, halb zwölf?«, sagte ich mit Bestimmtheit.
    »Äh, in Ordnung«, sagte er.
    »Großartig«, sagte ich schneidend. »Bis dann.« Ich legte auf, ohne seine Antwort abzuwarten.

26
    I ch würde mich selbst und auch Sie belügen, wenn ich nicht zugäbe, dass es mich überaus befriedigt hätte, wenn James auf den Knien zu mir zurückgekehrt wäre, ein gebrochener Mann.
    Es hätte mich wirklich entzückt, wenn er auf allen vieren den Kiesweg entlang vors Haus gekrochen wäre und mich schluchzend angefleht hätte, ihn wieder aufzunehmen. Am liebsten wäre er mir unrasiert, schmutzig und zerlumpt gewesen, mit langem, verfilztem Haar, von Kummer und der schrecklichen Erkenntnis zerfressen, dass er die einzige Frau verloren hatte, die er je geliebt hatte und je würde lieben können.
    So lebhaft war dieses Bild, dass es mich ziemlich enttäuschte, als ich sah, dass er aufrecht ging, als er um halb zwölf durch das Gartentor trat.
    Der prähistorische Mensch muss ein ähnliches Gefühl des Unglaubens empfunden haben, als einer seiner Artgenossen von einem der Bäume heruntersprang und sich anschickte, auf lediglich zwei Beinen herumzustolzieren.
    Ich sah durch das Fenster, wie er den kurzen Weg zum Haus entlangkam. Natürlich hielt ich mich in einer gewissen Entfernung vom Fenster, denn ich fand es unter meiner Würde, mir vor seinen Augen die Nase an der Scheibe plattzudrücken.
    Ich hatte mich gefragt, wie er wohl aussehen mochte. Schon die Vorstellung verursachte mir heftigen Schmerz. Er gehörte nicht mehr mir und würde daher anders aussehen.
    Das ihm von mir aufgedrückte unauffällige, aber dennoch unverkennbare Mal wäre nicht mehr da.
    Er war eine Erweiterung meiner Person gewesen, und so hatte ich ihm unbewusst – manchmal sogar, das muss ich gestehen, in subversiver Weise – ein gewisses Aussehen zugedacht. Offen gesagt spiegelte ich mich in ihm. Ich konnte ja nicht gut zulassen, dass er herumlief und heruntergekommen aussah. Jetzt war diese meine Macht dahin.
    Und wie sah er aus? Hatte er sich verändert? Hatte er unter dem Einfluss von Denise zugenommen? War er schlecht gekleidet? Hatte ihm Denise die gleichen kleinen Jäckchen und Höschen verpasst, die sie ihren drei kleinen Jungen anzog? Alles in Lila- und Türkistönen. Affenscheußlich. Ob er aussah wie ein grausamer und herzloser Schweinehund, der gekommen war, mir Heim und Kind zu nehmen?
    Er sah einfach ganz normal aus. Schlenderte mit den Händen in den Taschen daher. Er hätte jeder Beliebige sein können, der irgendwo hinging. Aber er sah anders aus als in meiner Erinnerung. Schmaler.
    Ich war sicher, dass sich noch etwas geändert hatte. Was mochte es nur sein? … Ich war nicht sicher … War er … war er schon immer so klein gewesen?
    Und er war auch nicht so gekleidet, wie ich es erwartet hatte. In meiner Vorstellung hatte er jedes Mal den Leichenbestatter-Anzug getragen, den er damals im Krankenhaus angehabt hatte. Heute trug er Jeans, blaues Hemd und Jackett.
    Sehr lässig, sehr salopp. Offensichtlich brachte er dem Anlass nicht die gebotene Achtung entgegen. Es schien mir unpassend. Unangemessen.
    Wie ein Henker, der in einem Hawaiihemd und einer verkehrt herum aufgesetzten Baseballkappe zur Arbeit erscheint, von einem Ohr zum anderen grinst und Witze erzählt.
    Er klingelte. Ich atmete tief ein und ging zur Tür. Mein Herz pochte. Ich öffnete, und er stand da, wie immer. Er sah in herzerschütternder Weise aus wie immer.
    Sein Haar war immer noch dunkelbraun, sein Gesicht immer noch bleich, die Augen waren immer noch grün und seine Wangen immer noch hager.
    Er begrüßte mich mit einem sonderbar

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