Wassermelone: Roman (German Edition)
die Leggings und die blaue Seidenbluse anziehen würde, die ich getragen hatte, als Adam zum Tee gekommen war.
Adam, dachte ich einen Augenblick lang sehnsuchtsvoll. Dann aber schob ich ihn entschlossen beiseite. Jetzt nicht , dachte ich finster.
»Du siehst hübsch und richtig schlank aus«, sagte Helen, nachdem sie einen Schritt zurückgetreten war und mich kritisch gemustert hatte. »Jetzt zu deinem Make-up.« Wirklich, sie organisierte das Ganze wie einen Feldzug.
Bei der Erwähnung meines Make-ups leuchteten Annas Augen auf. Dann schleppte sie eine Plastiktüte mit allen möglichen Stiften an.
»Hau ab«, sagte Helen gereizt und schob sie mit dem Ellbogen beiseite. »Ich mach das. Wahrscheinlich willst du ihr Gesicht bunt anmalen und ihr Sterne, Sonnen und all den anderen New-Age-Tinnef ins Gesicht schmieren.« Jetzt sah Anna in der Tat ein wenig betreten drein.
»Sie muss aussehen, als hätte sie sich überhaupt nicht zurechtgemacht«, erklärte Helen etwas freundlicher. »Einfach von Natur aus schön.«
»Ja«, sagte ich aufgeregt. »So mach es.« Warum mochte Helen nur so liebenswürdig sein? Ob sie in mir die Rivalin um Adams Gunst argwöhnte? Sollte ich mich mit James aussöhnen, hätte sie Adam für sich.
Vielleicht war ich aber auch zu zynisch. Schließlich war sie meine Schwester. Außerdem ahnte sie vermutlich nichts.
Ich muss sagen, nachdem mich Helen zurechtgemacht hatte, sah ich wirklich schön aus. Frisches Gesicht, klare Haut, leuchtende Augen, lässig gekleidet.
»Lächle«, befahl sie. Ich gehorchte. Alle nickten zustimmend.
»Gut«, sagte meine Mutter. »Lächle möglichst viel.«
»Wie spät ist es?«, fragte ich.
»Fast halb zehn«, sagte meine Mutter.
»Noch eine halbe Stunde«, sagte ich und spürte, wie Übelkeit in mir aufstieg.
Ich setzte mich auf das Bett, auf dem Kates Trageschale stand. Mum, Anna und Helen saßen auch schon da.
»Mach Platz«, sagte ich. Ich saß auf Annas Fuß.
»Aua«, sagte Helen, als Anna beiseiterückte und ihr den Ellbogen ins Gesicht stieß. Wir drängten uns auf dem Bett und lagen praktisch aufeinander. Wie eine Nachtwache. Sie würden mir nicht von der Seite weichen, bis er anrief.
Es kam mir vor, als wären wir Überlebende eines Schiffsunglücks, die sich auf einem Floß drängten. Es war unbehaglich eng, und es gab nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass eine die Gesellschaft der anderen verlassen konnte.
»Schön«, sagte Mum. »Machen wir ein Spiel.«
»Einverstanden«, sagten wir einstimmig. Außer Kate natürlich.
Mum kannte großartige Spiele, die mit Worten gespielt wurden. Damit hatten wir als Kinder bei langen Autofahrten die Zeit totgeschlagen.
Aus irgendeinem Grund spielten wir gerade in dem Augenblick, als James anrief, ein Spiel, das sich Helen ausgedacht hatte (wer sonst?). Es bezog sich mehr als nur nebenbei auf meinen jüngst vergangenen Zustand. Dabei musste man möglichst viele Ausdrücke für ›schwanger‹ finden.
Ich nehme nicht an, dass das Mums Absicht gewesen war, als sie uns früher darin bestärkt hatte, uns selbst Varianten der Spiele auszudenken, die sie uns beigebracht hatte.
»In anderen Umständen«, rief Anna.
»Vom Storch gebissen«, kreischte Helen.
»Guter Hoffnung«, sagte meine Mutter, hin- und hergerissen zwischen Missbilligung und dem Wunsch zu gewinnen.
»Du bist dran, Claire«, sagte Anna.
»Augenblick«, sagte ich. »Ist das nicht das Telefon?« Alles wurde still. Es war das Telefon.
»Soll ich drangehen?«, fragte meine Mutter.
»Lass nur, Mum, vielen Dank. Ich mach das schon«, sagte ich.
Dann ging ich nach unten.
25
H allo«, sagte ich, weil mir nichts Besseres einfiel.
»Claire«, sagte James’ Stimme. Endlich konnten wir miteinander sprechen.
»James«, gab ich zur Antwort. Danach wusste ich nicht weiter.
Ich hatte keine besondere Übung im Gespräch mit davongelaufenen Ehemännern. Ich war mir ziemlich sicher, dass er nicht versuchen würde, sich wieder bei mir einzuschmeicheln.
Was fehlt, ist ein Ratgeber, in dem eine Frau nachlesen kann, wie sie mit ihrem davongelaufenen Ehemann reden kann, wenn er zurückkommt. Sie wissen schon: die Art Buch, die uns sagt, wie und mit welchem Messer man eine Auster richtig öffnet und wie man beispielsweise einen Bischof richtig anredet (nur der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass bei einer ersten Begegnung »Sie tragen da einen herrlichen Ring, Euer Exzellenz« gewöhnlich als ausreichend höflich gilt).
Ein solches Buch würde
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