Wassermelone: Roman (German Edition)
einige Antworten zu bekommen. Sollte es mir gelingen zu verstehen, was schiefgegangen war oder was ich falsch gemacht hatte, wäre es vielleicht nicht so schwer, damit zu leben.
Ich wünschte, es gäbe eine Art Schalter in meinem Gehirn, mit dem ich es so ausstellen konnte wie den Fernseher. Einfach zack, und sofort verschwinden alle Bilder und quälenden Gedanken aus meinem Kopf und lassen nur einen leeren Bildschirm zurück.
Oder wenn ich meinen Kopf abnehmen, ihn auf den Nachttisch stellen und bis zum nächsten Morgen vergessen könnte. Sobald ich ihn erneut brauchte, könnte ich ihn wieder aufsetzen.
Als schließlich der Morgen kam, hatte sich, was meinen Schlaf betrifft, noch nichts geändert.
Ich sprang aus dem Bett und spürte undeutlich, dass die Innenseite meiner Oberschenkel ein wenig steif war. Was ist das?, fragte ich mich. Und dann fiel es mir ein. Ach ja, äh, stimmt. Ich errötete ein wenig, während ich daran dachte, was ich am Vorabend getrieben hatte. Ich hatte mit Adam geschlafen. Aber daran kann ich jetzt nicht denken . Der Teufel soll James holen, ganz ehrlich .
Mir blieb die Wonne versagt, behaglich im Bett zu liegen und mich gedankenverloren an alle Einzelheiten meines Abends der Lust mit Adam zu erinnern. Stattdessen musste ich aufstehen und wie eine wild gewordene Hummel herumsausen, um die Ankunft von Euer Gnaden vorzubereiten, als wäre er ein Staatsoberhaupt, das zu Besuch kam, oder der Papst.
Nachdem ich Kate das Fläschchen gegeben hatte, badete ich sie, bestäubte sie mit Talkumpuder, hielt sie dicht vor mich und atmete ihren herrlichen milchigen Kleinkindgeruch ein. Dann zog ich ihr einen ungemein süßen, flauschigen rosa Strampelanzug an, der über und über mit kleinen grauen Elefanten bedeckt war.
»Du siehst großartig aus«, versicherte ich ihr. »Der Traum eines jeden Mannes. Wenn er das nicht begreift, ist er ein noch größerer Dummkopf, als ich angenommen hatte.«
Ich wollte, dass sie göttlich aussah. Ich wollte, dass sie wie der schönste Säugling auf der Welt aussah. Ich wollte, dass sich James nach ihr sehnte, danach verlangte, sie zu halten, zu küssen, zu füttern, zu riechen.
Ich wollte, dass er begriff, wie viel er aufgegeben hatte, ich wollte, dass er uns zurückhaben wollte.
Alle im Haus schienen seit dem Morgengrauen auf zu sein. Meine beiden Schwestern wussten, dass James angerufen hatte. Helen kam gegen halb acht in mein Zimmer, lief zu Kates Bettchen und sagte: »Oh, gut, du hast sie richtig schön gemacht. Zeig’s ihm. Wir wollen nur hoffen, dass sie ihn nicht bekotzt oder in ihre Windel macht, wenn er sie hält.« Sie nahm Kate auf und bewunderte den Strampelanzug.
»Meinst du, wir könnten ihr ein farblich passendes rosa Bändchen ins Haar flechten?«, fragte sie.
»Wenn sie mehr Haare hätte, könnte man darüber nachdenken«, sagte ich.
Als aber Helen vorschlug, Kate etwas Make-up aufzulegen, fand ich, sie übertrieb. Das sparte ich für mich auf, und zwar eine ganze Menge davon.
»Du musst natürlich auch gut aussehen«, sagte Helen. Ich war nicht sicher, dass mir die Art gefiel, wie sie das sagte. Es klang irgendwie ein bisschen zweifelnd oder defätistisch.
Dann kam mein Vater.
»Ich fahr jetzt zur Arbeit«, sagte er. »Aber vergiss nicht, was ich dir gesagt hab. Du brauchst nicht um Kates willen wieder zu ihm zu gehen.«
»Wer sagt denn, dass er ihr das überhaupt anbieten wird?«, fragte Helen laut. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Aber sie hatte recht.
Dann kam meine Mutter herein. »Wie geht’s dir heute?«, fragte sie freundlich.
»Gut«, sagte ich.
»Schön«, sagte sie. »Geh dich duschen. Helen und ich kümmern uns so lange um Kate.«
»Mach ich.« Mich verwirrte all die Umtriebigkeit und das Organisieren. Es war fast wie der Morgen meines Hochzeitstages.
Dann kam Anna. Ich überlegte, ob ich nicht nach unten gehen, die Haustür aufmachen und ein paar Fremde von der Straße hereinbitten sollte.
Anna lächelte mir anmutig zu und hielt mir etwas hin. »Nimm diesen Kristall, und steck ihn in eine Tasche oder so. Er bringt dir Glück.«
»Dafür braucht sie mehr als einen von deinen alten Scheißkristallen«, sagte Helen unverblümt.
»Schluss jetzt, Helen«, sagte meine Mutter scharf.
»Was denn?«, begehrte Helen empört auf.
»Musst du so gemein sein?«
»Ich war nicht gemein«, verteidigte sie sich hitzig. »Aber wenn sie hübsch aussieht und so tut, als ob es ihr gutginge, will er sie bestimmt zurückhaben.
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