Wassermelone: Roman (German Edition)
können.
Was hatte er eigentlich erwartet? Blasmusik und einen roten Teppich? Die Ausrufung eines Nationalfeiertags? Hatte er erwartet, dass an den Straßen, die vom Dubliner Flughafen in die Stadt führen, dichtgedrängt jubelnde Einheimische die englische Fahne schwenkten? Dass ich ihn in einem verführerischen Negligé an der Haustür begrüsste und lächelnd mit heiserer Stimme sagte: »Willkommen daheim, mein Geliebter«?
Offen gestanden war ich wie vor den Kopf geschlagen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Tut mir leid, mein Herr, aber wir haben gerade keine gemästeten Kälber im Hause.
Es klang so, als schmollte er. Als wollte er, dass ich sagte: »Sei doch nicht albern, James. Natürlich bist du willkommen.« Oder etwas in der Art.
Aber er schmollte nicht. Dafür war er viel zu erwachsen. Außerdem konnte kein Mann bei klarem Verstand erwarten, dass ich ihn in dieser Situation mit offenen Armen willkommen hieß. Was sollte ich sagen?
»Es ist schade, dass du das so siehst, James«, brachte ich schließlich zerknirscht heraus. »Sollten meine Familie oder ich uns in irgendeiner Weise ungastlich verhalten haben, kann ich dafür nur um Entschuldigung bitten.« Natürlich war mir kein Wort davon ernst.
Hätte ihn meine Familie in irgendeiner Weise gekränkt, wenn beispielsweise Helen, als er ging, seine Aufmerksamkeit dadurch auf sich gelenkt hätte, dass sie aus einem der oberen Fenster üble Grimassen geschnitten oder obszöne Gesten gemacht hätte, wenn sie ihm ihren Hintern – oder Schlimmeres – gezeigt hätte, ich würde persönlich Belohnungen verteilen.
Doch ich musste James bei Laune halten.
Zwar erstickte ich fast an meinen gedrechselten Worten, dachte aber in erster Linie an Kate. Nichts hätte mir größeres Vergnügen bereitet, als ihm zu sagen, wie unwillkommen er war. Damit freilich hätte ich mir ins eigene Fleisch geschnitten. Ich wollte nicht, dass Kate ohne Vater aufwuchs, also musste ich den Preis zahlen, James zu sagen, dass er nicht un willkommen war. (Ich fürchte, zu weiteren Zugeständnissen war ich nicht bereit.)
»Soll ich also kommen?«, fragte er übellaunig.
Was war bloß mit ihm los? Er führte sich auf wie ein Kind, das seine Eltern manipuliert.
»Ach, James«, sagte ich freundlich. »Ich möchte nicht, dass du herkommst, wenn du dich nicht besonders willkommen fühlst. Keiner von uns beiden will sich aufregen. Vielleicht sollten wir uns einfach in der Stadt treffen.«
Während er das verdaute, entstand eine lange Pause.
»Schön«, sagte er kalt. »Wir könnten gemeinsam zu Abend essen.«
»Das klingt gut«, sagte ich und meinte, das klingt tatsächlich gut.
»Ich muss sowieso was essen«, sagte er, »da kannst du auch gleich mitkommen.«
»Da spricht der alte Häuptling Silberzunge«, sagte ich mit einer Stimme, der man das gequälte Lächeln vermutlich anhören konnte. Mit einem Mal fühlte ich mich entsetzlich traurig.
Wir verabredeten uns für halb acht in einem Restaurant in der Stadt.
Die Vorbereitungen waren eher noch aufwändiger als am Vormittag.
Natürlich wollte ich schön sein.
Ich beschloss aber auch, verführerisch auszusehen.
James hatte immer meine Beine gemocht und es gern gesehen, wenn ich hohe Absätze trug, obwohl ich damit fast so groß war wie er.
So zog ich meine Schuhe mit den höchsten Absätzen an und dazu mein kürzestes Kleid, schwarz natürlich, und selbstverständlich die dünnste Strumpfhose, die ich finden konnte.
Hatte ich nicht glücklicherweise erst am Vorabend meine Beine enthaart? (Als ich mich darauf vorbereitete, mit Adam ins Bett zu gehen, aber davon wollen wir jetzt nicht reden.)
Ich legte Unmengen von Make-up auf.
»Mehr Wimperntusche«, sagte Helen von der Trainerbank aus. »Mehr Grundierung.«
Mein zurückhaltendes Vorgehen vom Vormittag war, sagen wir einmal, nicht besonders erfolgreich gewesen. Also holte ich jetzt zum Rundumschlag aus.
Während ich die klebrige Grundierung auftrug, die ich auf meine Lippen tue, damit der Lippenstift hält, kam mir der Gedanke, wie grauenvoll das alles war. Widerlich.
Früher hatte ich mich immer mit derselben Sorgfalt zurechtgemacht wie bei meiner ersten Verabredung mit James. Und hier saß ich, putzte mich heraus und versuchte mit aller Gewalt, für das große Finale unserer Beziehung schön auszusehen. Die reine Verschwendung!
In die Brüche gegangene Beziehungen sind eigentlich eine Riesenmenge vergeudetes Make-up. Vergessen wir das Gelächter, die
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