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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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dich der Kellner anstarrt!«
    Ich wurde rot. Jetzt war es mir peinlich, mit dem kurzen Kleidchen ausgegangen zu sein, und ich fühlte mich blöd statt verführerisch und kess. Der Teufel sollte James holen! Er führte sich auf wie ein verdammter Puritaner.
    So war er nicht immer gewesen. Ich konnte mich noch gut an eine Zeit erinnern, als ihm meine Kleider gar nicht kurz genug sein konnten.
    Nun, die Zeiten hatten sich geändert.
    Ich senkte den Kopf und suchte mir rachsüchtig das Teuerste auf der Speisekarte heraus.
    »Wir müssten wohl über die finanzielle Seite reden«, sagte ich, nachdem der Kellner gegangen war.
    »Das ist schon in Ordnung so«, sagte James. »Ich zahle. Es geht auf meine Karte.«
    »Das meine ich nicht«, sagte ich und überlegte, ob er sich dumm stellte. »Ich meine damit ganz allgemein unsere finanziellen Angelegenheiten.« Ich sprach langsam und mit Nachdruck, als hätte ich ein Kind vor mir.
    »Ach so.« Er nickte.
    »Haben wir Geld?«, fragte ich besorgt.
    »Natürlich haben wir Geld«, sagte er ärgerlich. Offenbar hatte ich ihn an einer empfindlichen Stelle getroffen, indem ich an seiner Fähigkeit gezweifelt hatte, für Frau und Kind zu sorgen. Oder sollte ich besser Kinder sagen – die drei von Denise und meins?
    »Wie kommst du darauf, dass wir keins haben könnten?«, fragte er.
    »Na ja, ich arbeite zurzeit nicht und krieg nur das bisschen Mutterschaftsgeld. Du zahlst die Hypothek, die Miete für eine zweite Wohnung und …«
    »Was meinst du mit Miete für eine zweite Wohnung?«, fragte er laut und aufgebracht.
    »Na ja, die, in der du mit … mit … Denise lebst«, sagte ich. Ich wäre an dem Namen fast erstickt.
    »Aber ich bin doch wieder in unsere Wohnung gezogen«, sagte er und sah mich leicht erstaunt an. »Wusstest du das nicht?«
    Mehrere Gedanken stürmten gleichzeitig auf mich ein. Konnte ich ihm mit einer Gabel eine tödliche Wunde zufügen? Wäre eine Richterin milder als ein Richter? Was gibt es im Gefängnis zu essen? Wie würde sich Kate entwickeln, wenn ihre Mutter ihren Vater umbrachte?
    Seine Stimme erreichte mich durch einen Nebel mörderischer Wut.
    »Fehlt dir was?«, fragte er besorgt.
    Ich merkte, dass sich meine Hand so fest um das Buttermesser gekrampft hatte, dass sie schmerzte. Auch wenn ich es nicht sehen konnte, wusste ich, dass mein Gesicht vor Wut knallrot angelaufen war.
    »Willst du damit sagen«, zischte ich ihm schließlich zu, »dass du das Weib in meine Wohnung gelassen hast?«
    Ich fürchtete, im nächsten Augenblick zu ersticken, mich zu übergeben oder irgendetwas zu tun, das nicht gerade gesellschaftsfähig war.
    »Aber nein, Claire«, sagte er rasch und besorgt. Er fürchtete wohl, ich könnte ihm – Gott behüte – eine Szene machen. »Ich lebe in unserer Wohnung, aber Deni … äh … nicht.«
    »Ach so.«
    Es hatte mich total umgehauen. Da ich nicht wusste, wie ich mich fühlte, wusste ich auch nicht, was ich sagen sollte.
    »Wir sind … äh … weißt du … nicht mehr zusammen. Schon eine Weile nicht.«
    »Oh.« In gewisser Hinsicht war das fast schlimmer.
    Ich hatte immer noch das Bedürfnis, ihn zu erwürgen. Man denke sich nur: Da hatte er unsere Ehe, unsere Beziehung, für etwas fortgeworfen, das nicht einmal zwei Monate überdauerte.
    Was für eine Verschwendung . Das Gefühl eines sinnlosen Verlustes war nahezu unerträglich.
    Dann brach es aus mir heraus. »Und warum hat mir das kein Mensch gesagt?« War denn auf den hochentwickelten Buschtelegraphen in meinem Freundeskreis kein Verlass mehr?
    »Ich hab es nicht an die große Glocke gehängt und im letzten Monat kaum jemand gesehen«, erklärte er, offensichtlich darauf bedacht, mich zu beruhigen. »Vielleicht weiß es noch niemand.«
    Offenbar war er ein Einsiedler geworden, ein unheimlicher Sonderling wie Howard Hughes, überlegte ich. Er musste einen Nervenzusammenbruch gehabt haben.
    »Ich war verreist, auf einem Fortbildungsseminar«, fuhr er fort.
    »Oh.«
    Na schön, dann war er eben kein Einsiedler geworden, kein unheimlicher Sonderling wie Howard Hughes und hatte keinen Nervenzusammenbruch gehabt.
    Eigentlich hätte ich es mir denken können. James war viel zu praktisch veranlagt, als dass er sich auf Nervenzusammenbrüche eingelassen hätte. Was sich nicht genau berechnen ließ, war für ihn uninteressant.
    Immerhin bedeutete das, dass er damals nicht mit der dicken Denise im Urlaub war, als ich ihn anrufen wollte. Ich hatte also all meine Seelenqualen und

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