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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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wissen.
    »Bis jetzt noch nichts«, sagte ich. »Er will heute nachmittag wieder anrufen.«
    »Und was willst du bis dahin tun?«, fragte sie. Wie zufällig wanderte ihr besorgter Blick zum Barschrank, obwohl dieser schon seit Jahren leerstand. Der Mensch ist nun mal ein Gewohnheitstier. Es wäre der Situation angemessener gewesen, wenn ihr Blick wie zufällig hinaus in den Garten und unter den Öltank gewandert wäre, aber was soll’s.
    »Nichts«, sagte ich. »Ich bin schrecklich müde.«
    »Dann leg dich doch hin«, sagte sie rasch. »Was du alles durchgemacht hast. Wir kümmern uns um Kate.«
    Helen, die dagegen aufbegehren zu wollen schien, öffnete aufsässig den Mund, schloss ihn dann aber wieder. Das reinste Wunder, muss ich sagen.
    »Na schön«, sagte ich.
    Ich schleppte mich die Treppe hinauf und legte mich mit den guten Sachen ins Bett, die man mir am frühen Morgen angezogen hatte. Keine Spur war von der lächelnden, gut zurechtgemachten, bezaubernden Frau geblieben, die ich am Vormittag gewesen war. Ich war ein rotgesichtiges Wrack mit verheulten Augen und fleckiger Haut. Um die Mitte des Nachmittags weckte mich meine Mutter durch sanftes Rütteln an der Schulter und flüsterte mir zu: »James ist am Apparat. Willst du mit ihm reden?«
    »Ja«, sagte ich. Taumelnd erhob ich mich in meinen zerdrückten Kleidern vom Bett. Ich war noch so schlaftrunken, dass ich kaum etwas sah und sabberte wie eine Geisteskranke.
    »Hallo«, murmelte ich.
    »Claire«, sagte er munter, wie jemand, der alles im Griff hat. »Ich hab versucht, mir die Unterlagen hierher faxen zu lassen, aber in dieser verdammten Stadt gibt’s kein Faxgerät.«
    Sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen. Er vermittelte mir den Eindruck, als wäre das meine Schuld, als wäre ich persönlich durch Dublin gezogen und hätte alle Firmen geschlossen, die ein Faxgerät besaßen, nur um ihn zu ärgern.
    »Tut mir leid, James«, stotterte ich. »Hättest du das vorher gesagt, hätte ich vorgeschlagen, dass du dir die Papiere in Dads Büro faxen lässt.«
    »Zu spät«, seufzte er. Er klang reizbar und zornig, und das hieß so viel wie, es wäre besser, er tue selbst, was zu tun war, statt mich oder jemanden aus meiner näheren Verwandtschaft daran zu beteiligen. »Jetzt hab ich schon veranlasst, dass sie mit der Post geschickt werden. Morgen dürften sie hier sein.«
    Dann hättest du aber großes Glück, dachte ich, eingedenk dessen, wie lässig die irische Post im Vergleich zur englischen war. Aber ich sagte nichts. Zweifellos würde er mir, wenn es so weit war und die Unterlagen nicht kamen, das Gefühl vermitteln, dass ich auch daran die Schuld trug.
    »Aber ich finde, wir sollten uns trotzdem heute abend noch mal treffen«, fuhr er unbeirrt tüchtig fort. Ein wahrer Profi. Zeit ist Geld, stimmt doch, James?
    Aber ehrlich gesagt hatte er recht. Wir mussten ohnehin noch über vieles reden. Es war vernünftig. Selbstverständlich wollte ich alles so rasch wie möglich geklärt haben, damit ich mein neues Leben in Angriff nehmen konnte.
    Ein anderes Motiv hatte ich dabei ja wohl nicht, oder? Ich war ja wohl kein solcher Jammerlappen zu glauben, er würde merken, dass er mich immer noch liebte, wenn er mich oft genug sah?
    Vielleicht fühlte ich mich in seiner Gesellschaft einfach wohl. Vielleicht aber auch nicht! Doch dass er mich nicht mehr liebte, faszinierte mich, das musste ich zugeben.
    Sie wissen schon, etwa so, wie Leute nach einem Unfall immer auf das Blut auf der Straße starren und zusehen, wie die zerfetzten Fahrzeuge auseinandergeschleppt werden. Ich weiß, dass es entsetzlich ist, und trotzdem lockt es mich an. Ich weiß, dass ich hinterher ganz verstört bin, trotzdem kann ich mich nicht losreißen.
    Vielleicht wollte ich aber auch nur die Möglichkeit haben, ihn gründlich durchzuprügeln. Wer weiß?
    »Was machen wir?«, fragte er. »Ich würde gern zu euch kommen, weiß aber nicht so recht, ob ich da willkommen bin.« Ich traute meinen Ohren kaum. Was für eine Unverschämtheit! Eine unglaubliche und unfassbare Unverschämtheit!
    Obwohl er keinerlei Anspruch darauf hatte, willkommen geheißen zu werden, hatte ich ihn mit ausgesucht guten Manieren empfangen. Das kann man von der Art, wie er mich behandelt hatte, nicht sagen.
    Hatte ich ihm nicht Kaffee gemacht? Hatte ich es mir nicht verkniffen, die Hunde auf ihn zu hetzen?
    Zwar hatten wir keine Hunde, aber darum ging es nicht. Schlimmer noch, ich hätte Helen auf ihn hetzen

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