Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
aber rangehalten«, sagte er ziemlich gehässig. »Du scheinst es ja ziemlich eilig zu haben.«
    »James, wovon redest du? Es ist immerhin zwei Monate her«, wandte ich ein.
    Und ich hatte ein schlechtes Gewissen wegen meiner Zögerlichkeit und Verschleppungstaktik gehabt.
    Ich war verwirrt. Hatte ich etwas falsch gemacht? Gab es da womöglich eine Art vorgeschriebene Vorgehensweise? Musste ich irgendeine Frist einhalten, bevor ich mich um die Reste meiner zu Bruch gegangenen Ehe kümmern durfte?
    Etwa so, wie eine Frau erst sechs Jahre nach dem Tod ihres Mannes in einem roten Kleid zum Tanzen gehen durfte oder womit auch immer Scarlett O’Hara seinerzeit die Gesellschaft in Atlanta schockiert hatte?
    »Ja«, sagte er seufzend. »Das ist es wohl.« Einen Augenblick lang fuhr mir der verrückte Gedanke durch den Kopf, er könnte traurig sein. Dann begriff ich, dass er es vermutlich war. Wäre nicht jeder Mann traurig, wenn ihm mit einem Mal aufgeht, dass er jetzt zwei Familien unterhalten muss?
    Wahrscheinlich sah er schon, während wir noch aufdröselten, was von unserer Ehe geblieben war, Anwaltshonorare und Maklergebühren auf sich zukommen, die sich in die Zukunft erstreckten, so weit das Auge reichte.
    Natürlich würde es auch nicht billig werden, dafür zu sorgen, dass die drei kleinen Gören von Denise immer ihre rosa Nylon-Trainingsanzüge bekamen, mit denen sie herumliefen. Das geschah ihm ganz recht.
    So schob ich alles Mitgefühl beiseite, das ich vielleicht empfand, und sagte: »James, hast du einen Vertragsentwurf mitgebracht?«
    »Äh, nein«, sagte er und sah ein wenig verwirrt drein.
    »Warum nicht?«, fragte ich leicht ärgerlich.
    »Ich weiß nicht«, sagte er, auf seine Schuhe blickend. Offenbar war er verblüfft. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Ich hab wohl einfach nicht daran gedacht. Ich bin in so großer Eile von London abgereist.«
    »Hast du irgendwelche Papiere mit?«, fragte ich und unterdrückte den Drang, auf ihn einzuprügeln. »Du weißt schon, Bankauszüge, Auszüge von der Rentenversicherung und das alles?«
    »Nein«, sagte er knapp. Sein Gesicht war sehr blass geworden. Bestimmt war er wütend, weil ich ihn auf dem falschen Fuß erwischt hatte. Das sah ihm wirklich nicht ähnlich. Es passte überhaupt nicht zu seinem Wesen. Allerdings hatte sein Verhalten schon eine ganze Weile nicht zu seinem Wesen gepasst. Vielleicht ein Nervenzusammenbruch? Vielleicht war er so in die dicke Denise verknallt, dass er zu einer hirn- und willenlosen Marionette geworden war.
    Wenn ihn schon offenkundig sein Sehvermögen im Stich gelassen hatte, als er mit ihr durchgebrannt war, warum sollte es ihm mit seinem Denkvermögen nicht ebenso ergangen sein?
    »Brauchen wir denn all diese Papiere?«, wollte er wissen.
    »Nun, wohl nicht gleich«, sagte ich. »Aber wenn wir die Dinge regeln wollen, während du hier bist, wäre es sehr nützlich, sie zur Hand zu haben.«
    »Ich denke, ich könnte mir ein paar davon rüberfaxen lassen«, sagte er nachdenklich. »Vorausgesetzt, du willst das wirklich.«
    »Es geht nicht unbedingt darum, was ich will«, sagte ich ein wenig durcheinander. »Aber sollten wir nicht versuchen festzustellen, wem was gehört?«
    »Großer Gott, wie unfein«, sagte er mit großem Abscheu. »Meinst du etwa: ›Mir gehört das Handtuch, dir gehört der Kochtopf‹ und so weiter?«
    »Ja, ich glaube«, sagte ich.
    Was stimmte nicht mit ihm? Hatte er etwa überhaupt noch nicht daran gedacht?
    »Was hast du denn geglaubt, wie es weitergeht?«, fragte ich ihn, während er völlig verstört auf seinem Stuhl saß. »Hast du gemeint, die Scheidungsfeen kommen und erledigen all das über Nacht mit dem Zauberstab, während wir schlafen?«
    Er brachte ein kleines, mattes Lächeln zustande.
    »Du hast recht«, sagte er matt. »Du hast absolut recht.«
    »Habe ich«, versicherte ich ihm. »Und für den Fall, dass es dir hilft, kannst du alle Kochtöpfe haben.«
    »Danke«, sagte er gefasst.
    »Keine Angst«, fuhr ich fort, voll falscher Jovialität und schulterklopfender Munterkeit, »bestimmt werden wir eines Tages über all das lachen.«
    Natürlich war ich meiner Sache überhaupt nicht sicher. Ich hatte das undeutliche Gefühl, dass irgendetwas grundlegend falsch daran war, dass ich ihn trösten, aufmuntern und dazu auffordern musste, stark zu sein.
    Aber offen gestanden war die ganze Situation ohnehin so eigenartig, dass ich nicht mehr wusste, ob ich Männlein oder Weiblein

Weitere Kostenlose Bücher