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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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vorgehen?«, redete der vernünftige Teil meines Gehirns mit sanfter Stimme auf den streitsüchtigen ein. »Das ist doch richtig?«
    »Möglich«, knurrte der streitsüchtige Teil widerwillig. Ganz wie ein schlechtgelaunter Halbwüchsiger.
    »Können wir nicht zumindest versuchen, uns zu beherrschen?« , fragte der vernünftige Teil.
    »Ich muss aufhören«, sagte ich mir und atmete tief ein. »Ich will aufhören.«
    »Ich weiß, dass ich dich schlecht behandelt habe«, sagte James und bemühte sich, seiner Stimme einen sanften Ton zu geben. Dabei fasste er erneut nach meiner Hand.
    »Schlecht behandelt!«, platzte ich heraus, bevor ich mir den Mund verbieten konnte. »Ha! Schlecht behandelt! So kann man das auch nennen.« So viel zum Thema Vernunft und Selbstbeherrschung!
    Meine kläglichen Versuche, meine Gefühle zu beherrschen, waren gescheitert. Jeglicher Anschein von Gelassenheit, von erwachsenem und angemessenem Verhalten war dahin. Jedenfalls bei mir. James hingegen brachte nach wie vor ein erstaunliches Maß an Ausgeglichenheit auf. Eine seiner größten Vorzüge.
    »Na schön, also entsetzlich schlecht«, räumte er ein. Es klang nicht besonders zerknirscht, sondern eher so, als wollte er mir damit einen Gefallen tun.
    Der gefühllose Hund! Wie konnte er so distanziert sein? Es war unmenschlich.
    »Wie konntest du so verantwortungslos handeln?«, platzte ich heraus. Mir war klar, dass ihn dieser Vorwurf mehr schmerzen würde als alles andere. Wenn man behauptete, er sei unfreundlich, grausam oder hartherzig bis zum Exzess, traf ihn das nicht. Aber dass man ihn verantwortungslos nannte, war für ihn ein Tiefschlag.
    »Wie konntest du uns einfach im Stich lassen? Ich brauchte dich«, endete ich voll Leidenschaft. Darauf folgte ein Schweigen. Einen Augenblick saß er völlig bewegungslos da – es wirkte unheilverkündend. Dabei lief der Ausdruck einer Empfindung über sein Gesicht. Keine, die ich an ihm kannte.
    Als er wieder sprach, merkte ich, dass sich etwas verändert hatte. Seine Geduld war am Ende. Er hatte wohl noch nach einem Restchen Geduld gesucht, aber es war keine mehr da. Schluss mit dem Samthandschuh! Viel hatte ich davon ohnehin nicht zu spüren bekommen.
    Er sprach nicht mit seiner üblichen Stimme, sondern in einem widerlichen schnarrenden Ton, wobei er jeweils eine lange Pause zwischen zwei Wörtern machte. »Ja«, sagte er. »Damit. Hast. Du. Recht.«
    »Waas?«, fragte ich ziemlich überrascht.
    Ich steckte nach wie vor tief in meinen Gefühlen des Verlustes und desVerlassenseins, doch begriff ich, dass sich irgendetwas mit James verändert hatte – und zwar nichts zu meinem Vorteil. Es lag auf der Hand, dass die Dinge nicht zum Besten standen, wenn er mir so bereitwillig zustimmte. Noch mehr lag es auf der Hand, dass es ausgesprochen schlecht stand, wenn er mir so bereitwillig und in einem so sonderbaren Ton zustimmte.
    »Oh«, fuhr er fort, immer noch in dem sonderbaren Ton. »Ich sag jetzt einfach, wie recht du hast. Das möchtest du doch hören, nicht wahr? Ich sag es noch mal. Einverstanden? Du hast mich gebraucht .«
    Was war passiert? Die Dinge hatten eine plötzliche und unerwartete Wendung genommen. Es kam mir vor, als wäre ich in ein Gespräch fremder Menschen geraten. Oder als hätte James aus eigener Machtvollkommenheit beschlossen, den Sendekanal zu wechseln. Ich steckte noch bis zum Hals in unserem Gespräch, bei dem es darum ging, dass er mich im Stich gelassen hatte, und fühlte mich ziemlich elend. Er aber hatte ein völlig neues Gespräch über etwas gänzlich anderes angefangen. Ich bemühte mich, mit ihm Schritt zu halten.
    »James, was geht hier eigentlich vor?«, fragte ich verwirrt.
    »Was meinst du damit?«, fragte er äußerst unliebenswürdig.
    »Wieso bist du mit einem Mal so sonderbar?«, fragte ich nervös.
    »Sie behauptet, ich bin sonderbar«, sagte er nachdenklich und mit bedeutungsschwerer Stimme. Zugleich sah er sich im Raum um, als wende er sich an ein unsichtbares Publikum. Einer, der mit Leuten sprach, die nicht da waren.
    »Das bist du auch«, sagte ich. Er wurde von einer Sekunde zur nächsten sonderbarer.
    »Ich habe lediglich gesagt, dass ich dich brauchte und …«
    »Das habe ich gehört«, unterbrach er mich wütend. Die schnarrende Singsangstimme war mit einem Mal fort.
    Er beugte sich über den Tisch und sah mich wütend an. Jetzt kommt’s, dachte ich. Erleichterung mischte sich in meine Furcht. Zumindest würde ich jetzt erfahren, was zum

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