Wassermelone: Roman (German Edition)
einer wäre.«
»Ja, aber du hast gesagt, dass ich …«, begehrte ich auf.
»Großer Gott, Claire«, brach es zornig aus ihm heraus. »Du fängst schon wieder an und versuchst, Punkte zu sammeln. Kannst du es nicht einfach sein lassen? Kannst du nicht ein einziges Mal, nur diesmal, einsehen, dass du schuld bist?«
»Ja, aber …«, sagte ich schwach.
Ich war nicht einmal sicher, wofür ich die Schuld auf mich nehmen sollte.
Einerlei. Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. James holte Luft und legte wieder los, und ich musste mit gespannter Aufmerksamkeit auf seine Worte achten.
»Wo du gingst und standest, hast du ein Chaos hinterlassen«, sagte er seufzend, »und ich musste es in Ordnung bringen.«
»Das stimmt nicht!«, brüllte ich.
»So ging’s mir wenigstens«, sagte er unfreundlich. »Du willst einfach nicht einsehen, dass es so ist. Dauernd gab es ein Drama. Oder ein Trauma. Und ich war dauernd derjenige, der sich darum kümmern musste.« Ich war wie vor den Kopf geschlagen und schwieg.
»Und weißt du, Claire«, fuhr er in ernstem Ton fort, »man wacht nicht eines Morgens auf und hat wie durch ein Wunder gelernt erwachsen zu sein. Man weiß nicht über Nacht, wie man Rechnungen bezahlt. Man arbeitet daran. Man arbeitet an seinem Verantwortungsgefühl.«
»Ich weiß, wie man Rechnungen bezahlt«, wandte ich ein. »Immerhin bin ich kein völliger Schwachkopf.«
»Wie kommt es dann, dass ich mich immer um solche Sachen kümmern musste?«, fragte er nüchtern. Mir schwirrte der Kopf, während ich nach Möglichkeiten suchte, mich zu verteidigen.
»Ich habe versucht, dir zu helfen«, sagte ich schließlich.
Ich konnte mich genau an eine Gelegenheit erinnern, als ich bei ihm gesessen hatte, während er wichtigtuerisch Scheckbelege und Kassenzettel durchgeblättert und auf einem Taschenrechner herumgetippt hatte. Ich hatte ihm an dem Tag meine Hilfe angeboten, und er hatte mir mit einem beredten Zwinkern mitgeteilt, er werde tun, wovon er etwas verstehe, und ich solle tun, wovon ich etwas verstünde. Dann haben wir es, wenn ich mich recht entsinne, und das tue ich ganz bestimmt, auf dem Schreibtisch miteinander getrieben. Auf den Kontoauszügen und Kreditkartenabrechnungen für Juli 1991 kann man bis auf den heutigen Tag ziemlich aufschlussreiche Abdrücke sehen. Aber ihn daran zu erinnern, dazu reichte mein Mut nicht.
»Ich habe dir wirklich meine Hilfe angeboten«, wandte ich erneut ein. »Aber du wolltest sie nicht. Du hast gesagt, du könntest das viel besser, weil du einen Kopf für Zahlen hast.«
»Und das hast du einfach so hingenommen?«, fragte er boshaft und schüttelte leicht den Kopf, als könne er meine haarsträubende Dummheit kaum glauben.
»Nun … ja, nehm ich an«, sagte ich und kam mir blöd vor.
Er hatte recht. Ich hatte es ihm überlassen, sich mit scharf formulierten Mahnbriefen, der Androhung von Stilllegungen und so weiter auseinanderzusetzen. Aber ich hatte wirklich geglaubt, er mache das gern. Nicht dass es Mahnbriefe oder Androhungen von Stilllegungen gegeben hätte. James war viel zu ordentlich, als dass es so weit gekommen wäre. Ich hatte angenommen, das Gefühl, alle Fäden in der Hand zu haben, sei ihm wichtig, hatte gemeint, das Ganze sei übersichtlicher, wenn sich nur einer von uns beiden darum kümmerte. Welch ein Irrtum!
Ich wünschte, ich hätte die Uhr zurückdrehen können. Hätte ich doch nur mehr auf solche Dinge geachtet wie beispielsweise den Zeitpunkt, an dem unsere Hypothekenraten fällig waren.
»Tut mir leid«, sagte ich verlegen. »Ich dachte, du wolltest es unbedingt selbst tun. Ich hätte es auch getan, wenn ich gewusst hätte, dass du es nicht tun wolltest.«
»Und warum hätte ich es tun wollen?«, fragte er böse. »Welchem Menschen, der bei klarem Verstand ist, macht es Spaß, als Einziger für die Abrechnungen eines Haushalts verantwortlich zu sein?«
»Du hast natürlich recht«, gab ich zu.
»Vermutlich war es nicht wirklich deine Schuld«, sagte James. Es klang ein wenig freundlicher. »Du warst immer etwas gedankenlos.«
Ich schluckte eine Antwort herunter. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, ihn gegen mich aufzubringen. Aber gedankenlos war ich nicht. Ich weiß, dass das nicht stimmt. James jedoch sah das anders.
»Wenn du wenigstens nicht bei wichtigen Dingen gedankenlos gewesen wärest«, sagte er nachdenklich. »Die Probleme in unserer Ehe hatten nicht nur damit zu tun, dass du nicht immer deinen Beitrag geleistet hast.
Weitere Kostenlose Bücher